: Keine Stasi-Überprüfung für Professoren in Kassel
■ Sollte die Gauck-Behörde auch westdeutsche Angestellte im öffentlichen Dienst auf eine Stasi-Mitarbeit durchleuchten? Zumindest nicht bei uns, beschloß jetzt eine Gesamthochschule
Kassel (taz) – Eine Regelüberprüfung der Kasseler HochschulprofessorInnen und des Personals im gehobenen und höheren Dienst durch die Gauck-Behörde wird es vorerst nicht geben. Das entschied der Konvent der Gesamthochschule Kassel gestern nachmittag nach einer über einstündigen kontroversen Diskussion. Das höchste beschlußfassende Gremium der Universität vertagte das brisante Thema Stasi-Mitarbeit statt dessen auf die erste Sitzung im Wintersemester.
Die meisten der Versammelten waren nicht besonders glücklich über den entsprechenden Antrag, den ein Psychologieprofessor anfangs „für einen Witz gehalten“ hatte. Er war von den beiden Studentengruppierungen Rot-Grünes Wahlbündnis und der konservativ- liberalen Freien Liste gemeinsam gestellt worden. Hochschulpräsident Hans Brinckmann befürwortete gestern, Fälle von Denunziation und Bespitzelung auch im Westen aufzuklären, lehnte eine Regelanfrage bei der Gauck-Behörde aber ab. Es spreche „alles gegen eine Schleierfahndung in den Stasi- Unterlagen“: „Wer Freiheit mit durchgehender Sicherheit zu verteidigen sucht, gibt beides auf.“ Ein Religionswissenschaftler formulierte eindringlich das Unbehagen der meisten Konventsmitglieder an dem Antrag als moralische Zwickmühle. Eine einfache Ablehnung schaffe Verdacht, eine Annahme aber löse die Probleme nicht, denn die öffentliche Bloßstellung von Kollegen wasche die Befürworter nicht rein. Er schlug eine universitäre Forschungsstelle zur deutsch-deutschen Stasi-Vergangenheit vor.
Die hochschulpolitische Sprecherin der Studierenden, Regina Werner, wertete den Antrag kurz vor der Sitzung als einen „Versuch der Opposition, aus einer Ablehnung ein politisches Drama zu machen“. Sie sei gegen eine Pauschalüberprüfung ohne begründeten Anfangsverdacht. Der Asta hatte den Antrag „grundsätzlich“ abgelehnt. Die Gauck-Behörde hatte mitgeteilt, die Überprüfung der rund 400 Kasseler Hochschullehrer sei für sie kein Problem. Pressesprecher Legner vermutete an westdeutschen Hochschulen noch etwa 100 bis 300 unererkannte Mitarbeiter und Zuträger des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes. Heide Platen
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