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Unselige Zahlenspiele mit Immigranten in Italien

■ Die Behörden wissen längst nicht mehr, wie viele „Illegale“ im Land sind. Laut Gesetz müssen viele jetzt aus den Auffanglagern entlassen werden. Die meisten von ihnen tauchen unter

Rom (taz) – Deadline in Italiens Ausländerpolitik: Seit Mitte der Woche müssen zahlreiche Personen aus Nicht-EU-Ländern aus den Auffanglagern entlassen werden. Denn die vom Gesetz vorgeschriebene 30-Tages-Frist, innerhalb derer ihre Nationalität oder das Land, aus dem sie eingereist sind, festgestellt werden müssen, ist abgelaufen. Weigern sich die illegal Eingereisten, diese Angaben zu machen, und kann dies auch nicht ermittelt werden, bekommen sie nach einem Monat einen Ausweisungsbeschluß ausgehändigt. Dieser schreibt vor, innerhalb von zwei Wochen das Land zu verlassen. Eine ansehnliche Anzahl taucht danach unter, in der Hoffnung, einen Arbeitgeber zu finden, mit dessen Hilfe sie ihre Position legalisieren können. Letzteres aber ist, so die Schätzungen der Polizei, bei nicht einmal zwei Prozent der Abgetauchten der Fall. Der Rest gerät in die Fänge krimineller Organisationen oder wird von den Behören erneut festgenommen.

Die Gesetzeslage verstößt nicht gegen europäisches Recht, auch wenn andere Staaten des Schengener Grenzöffnungs-Abkommens von Italien fordern, eine Art Abschiebehaft einzuführen. Italien hört auf diesem Ohr bewußt schlecht und verwirrt die Partner lieber mit Zahlenspielen. Und da sind die Regierungen in Rom von jeher Weltmeister, und immer kommt am Ende ein honoriges Ergebnis heraus. Seit Jahresbeginn, ließ das Innenministerium am Wochenanfang verlauten, seien mehr als 3.000 Immigranten aus Nordafrika gekommen, „im August jedoch nur 400“, man sehe also, „die Welle ebbt ab, als Konsequenz unserer Ausweisungspolitik“.

Auf die Journalisten-Gegenrechnung, das sei doch realiter eine Zunahme, denn der August war am Montag erst zehn Tage alt, ließe also auf eine Monatsquote von 1.200 schließen, kam die Korrektur: Man habe die bereits wieder Zurückgeschickten eben schon berücksichtigt, sonst wäre die Zahl in der ersten Jahreshälfte viel höher gewesen. Merkwürdig: Bis Ende Juli konnte Italien gar keine Menschen aus dem Maghreb zurückschicken, weil es erst seit Anfang August ein Rücknahmeabkommen mit den besonders emigrationsfreudigen Staaten Marokko und Tunesien gibt.

Täglich werden neue Zahlen verbreitet – je nachdem, wer fragt. Die Kommissare des Schengener Abkommens zur Öffnung der Grenzen bekommen atemberaubende Ausweisungszahlen vorgelegt, humanitären Organisationen wird versichert, daß niemand mit Gewalt abgeschoben wird, und Brüssel gegenüber wird mit Quoten Zehntausender vorläufig Aufgenommener operiert, wohl um Gelder lockerzumachen.

Die in den beengten Notaufnahmelagern zusammengesperrten Frauen und Männer werden inzwischen zusehends aggressiver. Bereits mehrere Male kam es zu Ausbruchsversuchen. In Trapani kam es zu derart wüsten Schlägereien, daß im Lager Trennzäune errichtet werden mußten. Innenminister Giorgio Napolitano, derzeit einzige Sommerstallwache der Regierung, will Mitte kommender Woche einen Generalbericht zur Lage der Immigranten in Italien abgeben. Ob er bis dahin verläßliche Zahlen hat, bezweifeln aber selbst wohlmeinende Beamte seines Ministeriums. Werner Raith

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