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Umweltschützer: Free Willy ohne Happy-End

■ WWF: Ausgesetzer Schwertwal ist zu dumm zum Jagen und spricht kein Isländisch mehr

Berlin/Reykjavik (taz/AP) – Der Rummel schwappte über. Als das Flugzeug des Schwertwales „Keiko“, bekannt aus Hollywoods Tierschnulze „Free Willy“, gestern in Island landete, berichteten darüber mehr als 700 Journalisten. Im Internet übertrug der schwedische Telefonkonzern und Sponsor Ericsson live. Auf der Homepage des Wales animierte die „Free- Willy-Stiftung“: „Schreibt einen Abschiedsbrief an Keiko.“

Der Wal soll zunächst in einer Bucht an Freiheit und selbständige Futtersuche gewöhnt werden. Das Tier war mit zwei Jahren vor Island gefangen worden und lebte 18 Jahre in Gefangenschaft. Nach beschwerlichen Jahren in einem mexikanischen Vergnügungspark wurde er 1993 zum Filmstar. 1996 zog das 3,8-Tonnen-Tier ins Aquarium von Newport in Oregon um, nachdem amerikanische Schulkinder dafür Geld gesammelt hatten. Doch die Fangemeinde gab keine Ruhe, bis klar war, daß das Tier für mindestens zwei Millionen Dollar nach Island gebracht werden würde, um dort ausgesetzt zu werden. Beim Abschied schluchzten die Walfreunde, sie seien so froh, daß Keiko gehe, weil er dann wieder mit seiner Familie zusammen sein könne. Die Agentur AP zitierte gestern die zehnjähriges Tricia Weaver: „Er wird zum ersten Mal andere Orcas hören, und das wird aufregend für ihn sein.“

Vielleicht zu aufregend: Denn allein im Atlantik könnte es für Liebling Keiko ungemütlich werden. „Die Chance, daß er erfolgreich ausgewildert wird, ist gleich Null“, sagte WWF-Umweltsprecher Arnd Wünschmann gestern. Zahnwale lebten in fest geschlossenen Gruppen. Da es verschiedene Dialekte gebe, könne das Tier seine Artgenossen womöglich überhaupt nicht verstehen. „Der wird einsam irgendwo im Meer verenden“. Meeresforscher Karl- Hermann Kock vom Bundesforschungsinstitut für Fischerei will zwar nicht ausschließen, daß Keiko überlebt, hält es aber für unwahrscheinlich. In die Walgruppen könnten sich höchstens „halbstarke Männchen“ oder Weibchen eingliedern, aber keine ausgewachsenen Männchen. „Da gäbe es ziemliche Spannungen.“ Müsse Keiko allein auf die Jagd gehen, bedeute das zusätzlichen Streß. WWF-Sprecher Wünschmann: „Wer jahrelang mit Makrelen und Heringen aus der Hand gefüttert wurde, hat von der Jagd keine Ahnung.“

„Das Ganze hat sich aus dem seriösen Bereich verabschiedet“, lästert Meeresforscher Kock. „Wir werden den Teufel tun, das gutzuheißen“, poltert Wünschmann. Es sei „traurig“, daß Naturschutzargumente für einen PR-Gag mißbraucht würden und dafür so viel Geld „rausgeworfen“ werde, das sinnvoller für den Kampf um Walschutzgebiete eingesetzt werden sollte. Peter Pueschel von der PR- erprobten Organisation Greenpeace hofft, daß die ganze Aktion Aufmerksamkeit auf die Bedrohung der Wale lenkt. „Andernfalls wäre das bitter.“ Georg Löwisch

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