: Eine bizarre Dreiecksgeschichte
■ „Makom, Avoda“: Ein Film über thailändische Gastarbeiter in Israel (22.35 Uhr, arte)
Der Moschav Schekef wurde 1981 von 25 israelischen Familien als Landwirtschaftskooperative gegründet. Nicht weit von Shekef entfernt liegt Beth Awah, ein Palästinenserdorf. Eli Cohen aus Shekef war der erste Tote der Intifada. 1988 wurde er ermordet. Bis zu seinem Tod arbeiteten Araber, Palästinenser auf den Feldern der Israelis. Man war mitunter befreundet. Am Tag nach dem Mord wurden die arabischen Landarbeiter ausgezahlt; fortan durften sie Shekef nicht mehr betreten.
Nurith Aviv kennt man als Kamerafrau von Agnes Varda. Zu behaupten, daß ihr Dokumentarfilm über die privaten Folgen politischer Ereignisse und Beschlüsse den Zuschauer verblüfft zurückläßt, wäre untertrieben. Den israelischen Siedlern fehlten nach dem Mord die arabischen Landarbeiter. Den Arabern fehlt das Einkommen, die Arbeit. Wer weiß schon, daß heute 20.000 thailändische und viele rumänische Gastarbeiter in Israel leben? Die Thai von Shekef geben vor, nicht zu wissen, was zwischen Israelis und Arabern geschehen ist. Sie dürfen ihre Kinder nicht mitbringen, die Thai-Frauen nicht schwanger werden. Aviv rekonstruiert die Dreiecksbeziehung zwischen Israelis, Arabern und Thai-Arbeitern. „Die Juden konnten nicht arbeiten“, behauptet ein arabischer Landwirt. Auch der israelische Weinbergbesitzer steuert sein Scherflein bei zu dieser seltsamen Volkstypologie: „Die Thai sind wie Maschinen. Wenn sie einmal verstanden haben, machen sie alles genau nach meinen Anweisungen.“ Und die Thai verlesen die Bitten ihrer Familien, möglichst viel Geld heimzubringen.
Nurith Aviv hat sie alle ausreden lassen. Familiengeschichten von Shoah, Segregation und Heimweh. Da sind Maimon und Myriam, ein jüdisches Paar, das seinem arabischen Freund und Angestellten Hussein nachtrauert und die generelle Apartheid gegen die Palästinenser inzwischen anzweifelt. Nan und Sying singen heimwehkranke thailändische Lieder, die in Israel niemand versteht. Und Husseins stolze Frau sagt: „Die Israelis wollen ein freies Leben? Wir Araber auch.“ Der Film bringt einem unter anderem bei, daß jede Gewaltspirale, jede Krise, jeder Krieg in einer bizarren Not-Umschichtung von Arbeit einen eigenen Markt schafft. Früher waren die Araber Landarbeiter. Jetzt handeln sie mit dem alten Hausrat, den die israelischen Siedler zurücklassen. Anke Westphal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen