■ Querspalte: No Talk
Talkshows dienen zwar der Verständnisbereitschaft für dies und das, doch nerven eigentlich auch ein bißchen. Vor allem, weil die Leute in den Talkshows pausenlos und panisch reden müssen. Das fand wohl auch der Student Uli Wilkes, der die Idee zu einer Talkshow hatte, bei der die wortreichen Hüter verständnisorientierter Platitüden kein Wort sagen dürfen.
Das Konzept von „No Talk“ ist zwar ein bißchen widersinnig, doch irgendwie auch interessant. Die Sendung wurde dieser Tage schon aufgezeichnet.
„Das Experiment scheint geglückt zu sein“, meldet dpa. Die sieben Talkshowmaster – unter ihnen Arabella Kiesbauer, Roger Willemsen, Günther Jauch, Alfred Biolek und Giovanni di Lorenzo – hätten tatsächlich 20 Minuten lang kein Wort gesagt. Vertraglich wurden sie außerdem dazu verpflichtet, über weitere Inhalte Stillschweigen zu wahren.
Da schmunzelt der Zuschauer. Was wird nur geschehen sein? Vielleicht haben die „Talker“ 20 Minuten lang gegrunzt, extravagant grimassiert, mit komischen Kostümen einander zu überbieten versucht, um die quälende Stille zu durchbrechen. Vielleicht übten sie ganz entspannt (wg. Trendreligion Buddhismus) das Nichtstun mit dem Dalai Lama. Vielleicht verharrten sie in der Möglichkeitsform der Rede, um etwas Bestimmtes darzustellen; möglicherweise plätscherte ihr Schweigen auch eher seicht so dahin wie ihr Reden ansonsten.
„Das Schweigen des Ajax in der ,Totenbeschwörung‘ ist in seiner Größe erhabener als alles, was Rede wird“, schreibt Longin, ein bekannter Rhetoriker des 3. Jahrhunderts, in seiner Lehrschrift über das Erhabene. Die Sirenen hätten eine „noch schrecklichere Waffe als den Gesang, nämlich ihr Schweigen“, heißt es in einer Kafka-Erzählung, und in Holland gibt es eine Tageszeitung, die aus lauter weißen Seiten besteht. Ein Freund pflegt sich Talkshows sowieso stets ohne Ton anzuschauen. Dabei muß er immer lachen. Detlef Kuhlbrodt
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