: Versicherer gründen Opfer-Fonds
Sechs europäische Unternehmen stellen 90 Millionen Dollar für die Geschädigten der Nazi-Ära zur Verfügung. Opfer-Anwalt Witti: „Die Klagen bleiben anhängig“ ■ Von Patrik Schwarz
Berlin (taz) – Der deutsche Versicherungskonzern Allianz und fünf weitere führende europäische Versicherer haben sich auf die Einrichtung eines Fonds für Holocaust-Opfer mit 90 Millionen US- Dollar (150 Millionen Mark) geeinigt. Dies bestätigten Sprecher der Schweizer Gesellschaften Basler und Zürcher Versicherungen gegenüber der taz.
Die Einigung ist das Ergebnis der ersten Sitzung einer eigens eingerichteten Kommission der sechs Konzerne und des Jüdischen Weltkongresses (JWC) zur Regelung von Versicherungsansprüchen aus der Zeit des Nationalsozialismus.
„Wir wollten zeigen, wie ernst es uns mit der Kommission ist“, sagte Iris Roth von der Konzernzentrale der Zürcher der taz. Die Unternehmen haben für ihre Zahlungsbereitschaft keinerlei Zusagen von Opfer-Vertretern erhalten, im Gegenzug auf ihre geplanten Sammelklagen zu verzichten. Der Sprecher der Basler erklärte: „Bei den Sammelklagen ist einfach ein Fragezeichen, wie es weitergeht“, es handele sich dabei um eine „getrennte Angelegenheit“.
Der Beschluß zur Gründung des Fonds sieht vor, 30 Millionen Dollar noch im Dezember auf ein Sperrkonto einzuzahlen, weitere 60 Millionen sollen im Juni 1999 folgen. Das Geld soll Menschen zugute kommen, deren Versicherungsansprüche nicht ausgezahlt wurden. Über die Anzahl der möglichen Anspruchsteller und die Höhe der Forderungen wurden keine Angaben gemacht.
Die Kommission unter Leitung des früheren stellvertretenden US- Außenministers Lawrence Eagleburger wird nach Teilnehmerangaben mindestens noch ein bis zwei Jahre tätig sein. Dabei sollen in Arbeitsgruppen Fakten gesammelt werden, um Klarheit über Umfang und Ausmaß des Unrechts zu erhalten, das Holocaust-Opfern durch Enteignungen und Verstaatlichungen angetan wurde.
Der Jüdische Weltkongreß schätzt, daß Lebensversicherungspolicen, die Juden in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossen haben, heute einen Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar haben. Der Sprecher der Basler sagte der taz: „Diese Zahl entbehrt jeder Grundlage.“ Es sei genau die Aufgabe der Kommission, eine faktentreue Zahl zu ermitteln. Für die Zukunft wollte der Sprecher weitere Zahlungen der Konzerne nicht ausschließen.
Der Münchner Anwalt Michael Witti, der Holocaust-Opfer vertritt, erklärte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der taz: „Die Entscheidung der Versicherer hat keinerlei Auswirkungen. Die Klagen bleiben anhängig. Ohne Einbindung der Kläger gibt es keine Lösung.“
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