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„Lieber einen Tag länger nachdenken“

■ Der grüne Rechtspolitiker Volker Beck über den Gesetzentwurf zur erleichterten Einbürgerung

taz: Herr Beck, sind Sie zufrieden mit dem Gesetzentwurf zur erleichterten Einbürgerung, den Bundesinnenminister Schily vorgelegt hat?

Volker Beck: Für die deutsche Rechtsgeschichte ist diese Reform ein Epochenwechsel vom völkischen zum republikanischen Staatsbürgerschaftsrecht. Entscheidend an der Reform ist, daß wir endlich Schluß machen mit der Ausbürgerung der Kinder im Kreißsaal. Sie erwerben jetzt die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, damit gehören sie von Anfang an dazu. Das ist entscheidend für die Integration. Zum anderen wird die Einbürgerung der hier dauerhaft lebenden Erwachsenen und Jugendlichen mit den neuen Fristen von fünf und acht Jahren erleichtert. Für beides ist die Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft notwendige Voraussetzung. Beides sind tiefgreifende Fortschritte, die allerdings gemessen an der Gesetzgebung unserer Nachbarstaaten, etwa Frankreich, eher zurückhaltend sind. Fragezeichen habe ich bei den neuen Voraussetzungen Verfassungstreue und Deutschkenntnisse. Es ist doch ohnehin klar, daß Personen, die aktiv und gewaltbereit gegen diesen Staat vorgehen wollen, für eine Staatsbürgerschaft nicht in Frage kommen. Wir sollten mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht keinen neuen Gesinnungs-TÜV einführen. Eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz darf es nicht geben. Auch einen Sprachtest finde ich unnötig. Daß wir diesen nicht wollen, sollte man klarer im Gesetzestext zum Ausdruck bringen. Für Integration wird bisher viel zuwenig getan. Wir sollten beispielsweise in Stadtteilen mit einem hohen Ausländeranteil offensiv Werbung und Angebote für Deutschkurse machen – aber unabhängig davon, ob sich die Teilnehmer um eine deutsche Staatsbürgerschaft bewerben wollen oder nicht. Schließlich ist das Beherrschen der Sprache die Voraussetzung für das verträgliche Zusammenleben aller.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Ausländer, die ihren Unterhalt nicht selber aufbringen können, von der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen bleiben.

Wer unverschuldet Arbeitsloser oder Sozialhilfeempfänger geworden ist, sollte von der Staatsbürgerschaft nicht ausgeschlossen werden. Hier müssen wir auch berücksichtigen, daß Migranten auf dem Arbeitsmarkt oftmals benachteiligt werden.

Befürchten Sie ein Nord-Süd- Gefälle in der Bundesrepublik? Wird es im Norden eine großzügigere Auslegung der gesetzlichen Vorschriften geben als etwa in Bayern?

Das Entscheidende an diesem Reformprojekt ist, daß wir darin die Anspruchseinbürgerung regeln. Wir müssen darauf achten, daß präzise gesetzliche Vorgaben geschaffen werden. Sonst hält das Ermessen der Ausländerbehörden durch die Hintertür wieder Einzug in das Verfahren. Es dürfen keine Gummiparagraphen entstehen, die anschließend uneinheitlich angewendet werden, und die so zu Ausschlußgründen führen können. Die Absicht ist, klare Rechtsansprüche zu schaffen. Wir wollen Rechtsklarheit, die Ausländerämter sollen nicht frei nach eigenem Gutdünken entscheiden können. Deshalb muß der Gesetzgeber hier sauber arbeiten. Wir sollten lieber einen Tag länger nachdenken als vorschnell Formeln finden, die in sich die Gefahr bergen, in Bayern anders als in Schleswig-Holstein angewendet zu werden.

Mit anderen Worten, der Entwurf des Innenministers muß nachgebessert werden?

Der Entwurf ist insgesamt eine sehr gute Grundlage, aber ich wünsche mir an einigen Punkten klarere Formulierungen. Ich denke, wir werden hier in der Koalition im Gespräch bleiben. Die Fraktionen müssen erst einmal den Arbeitsentwurf zur Kenntnis nehmen. Dann muß es die Möglichkeit geben, Verbesserungen mit dem Ziel der größeren Rechtsklarheit anzubringen. Interview: Wolfgang Gast

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