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Die Baumarktbeilage: Blutsdeutsche und -brüder Von Fritz Eckenga

Guten Tag. Mein Name ist Peter- Hans Kaltenbecher. Als Leiter einer führenden Filiale einer namhaften Baumarktkette im westlichen Westfalen, östliches Ruhrgebiet, was aufs selbe rauskommt, möchte ich heute – sozusagen einmal aus professioneller Perspektive – eine Stellung beziehen zum Problem der im Augenblick ja doch mächtig ins Gerede gekommenen doppelten Staatsbürgerschaft.

Was soll ich dazu sagen?! Ich muß es ja wissen, setzt sich ein nicht geringer Bestandteil meiner Kundschaft doch aus Staatsangehörigen aller Herren Länder zusammen, die hier in Deutschland ein Einkommen gefunden haben, das sie bei mir ausgeben. Genauso übrigens wie der nichtausländische Teil der Einheimischen, also jetzt die, die nach dem gültigen Staatsbürgerrecht Deutsche reinsten Blutes sind. Das müssen Sie nämlich wissen, wenn Sie sich in der Diskussion um den Doppelpaß eine Meinung erlauben: Blut ist in Deutschland total wichtig.

Wenn man Blutsdeutscher ist, kriegt man hier automatisch einen deutschen Paß. Ja, so heißt das: Blutsdeutscher! Nein – nicht Blutsbruder! Das ist was anderes. Blutsbruder kann man auch sein, wenn man fremdes Blut hat. Also zum Beispiel Winnetou – die alte Rothaut. Der Blutsbruder von dem deutschen Old Shatterhand. Und obwohl der Winnetou ein ganz feiner Charakter war – 'n deutschen Paß würde der heute nicht kriegen. Jedenfalls nicht, wenn er seinen Apatschenpaß auch noch behalten wollte.

Er könnte natürlich noch tricksen und die Schwester von Old Shatterhand heiraten. Dann könnte er auch ohne das richtige Blut den roten Lappen mit dem Adler kriegen. Weil dann die Chance viel größer wäre, daß der Indianer an der Seite seiner deutschen Frau sich besser integrieren würde in unsere deutsche Kultur. Zum Beispiel Karneval feiern. Und später dann die Kinder konfirmieren lassen und auch mal 'n Mettbrötchen essen – eben alles, was die deutsche Kultur so ausmacht.

Und ich geb' Ihnen Brief mit Siegel. Wenn der Winnetou sich da erst mal dran gewöhnt hat, dann dauert das nicht lange, dann ist der so fertig mit seiner Integration, dann gibt der seinen Apatschenausweis von ganz alleine ab und will nur noch den deutschen haben. Und wenn dann Karneval ist, dann zieht er einfach sein altes Kostüm an. Und wenn die CDU clever ist, dann stellt die am Rosenmontag längs des Zuges Tapeziertische auf und macht ihre Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie sollen mal sehen, wie viele Winnetous da unterschreiben.

Es ist nämlich so, daß ich hier im Baumarkt seit zwei Wochen Karnevalsartikel verkaufe. Und Indianerkostüme gehen weg wie warme Semmeln. Heute morgen hat sich noch 'n alter Stammkunde eingekleidet. Walter Szcypionek. Der Opa vom Walter ist seinerzeit aus – sagenwirmal – Osteuropa hier eingewandert. Walter Szcypionek ist auch so ein ganz glühender Gegner der Doppelpaßregelung. Und wie er dann heute morgen so vor mir stand in seinem Winnetoufummel, da hab' ich zu ihm gesagt: „Herr Szcypionek, bei Ihrem deutschen Blut bin ich mir zwar nicht so sicher. Aber ansonsten: als Landsmann absolut integriert. – Immer für Sie da!“

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