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Toskana, ich komme

■ Nach dem Rücktritt von Bundesfinanzminister und SPD-Chef Oskar Lafontaine will Kanzler Schröder schon heute einen Nachfolger benennen. Europäische Finanzmärkte reagieren euphorisch, der Euro springt nach oben

Bonn (taz) – Am schnellsten reagierte der Euro. Den Rücktritt von Finanzminister Oskar Lafontaine (SPD) quittierte er mit einem sofortigen Sprung um zwei Cent. Ein bißchen länger brauchte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Zwei Stunden nach Bekanntwerden der völlig überraschenden Nachricht kommentierte er: „Die Stabilität der Regierung steht außer Frage, ich werde morgen (Freitag, d. Red.), der SPD einen Nachfolger vorschlagen.“

Lafontaine schmiß auch den SPD-Vorsitz hun und selbst sein Bundestagsmandat legt er nieder. Unbestätigt blieb zunächst, daß Lafontaine sich vollständig aus der Politik zurückziehen wolle. Als Nachfolger für den SPD-Vorsitz schlugen die SPD- Ministerpräsidenten Gerhard Glogowski (Niedersachsen) und Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) noch am Abend Bundeskanzler Schröder vor. In das Amt des Bundesfinanzminister solle der soeben abgewählte, aber noch amtierende hessische Ministerpräsident Hans Eichel nachrücken. Als neuer Staatsekretär im Finanzministerium ist der bündnisgrüne Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Fritz Kuhn, im Gespräch.

Die Bündnisgrünen, Koaltionspartner der SPD in Bonn, bedauerten Lafontaines Rücktritt. Die Fraktionschefs Kerstin Müller und Rezzo Schlauch dankten Lafontaine für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und erklärten den „festen Willen, die gute Zusammenarbeit mit der SPD und Bundeskanzler Gerhard Schröder fortzusetzen“.

Wirtschaft und Opposition forderten gestern abend die Bundesregierung auf, die Chancen zu nutzen und die „verfehlte Steuerreform“ zu stoppen (Arbeitgeberchef Dieter Hundt). Oppositionschef Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem „Menetekel für die Substanzlosigkeit der Regierung Schröder.“ Der Rücktritt sei das Eingeständnis des Scheiterns der Regierung. Der Kurs des Euro hatte unmittelbar nach der Rücktrittsmeldung deutlich angezogen und legte in New York um zwei Cent auf 1,1040 gegenüber dem Dollar zu. Vor der Nachricht hatte der Kurs des Euro gegenüber dem Dollar in New York noch nach unten gezeigt.

Wie es aus dem Kanzleramt heißt, ist Gerhard Schröder von dem Rücktritt völlig überrascht worden. Am Mittwoch hatte es auf einer Kabinettssitzung zwischen Schröder und mehreren Regierungsmitgliedern offenbar schwere Auseinandersetzungen gegeben. Ausschlaggebend für den Rücktritt war wohl diese Kabinettssitzung. Schröder hatte mehreren Ministern eine „Politik der Nadelstiche“ gegen die Wirtschaft vorgeworfen und hinzugefügt: „Es wird einen Punkt geben, wo ich die Verantwortung für eine solche Politik nicht übernehmen werde.“ Finanzminister Lafontaine warf er vor, mit der Besteuerung von Rückstellungen der Energiewirtschaft einen strategischen Fehler gemacht zu haben. Außerdem attackierte er ihn indirekt, indem er die steuerliche Belastung für die Wirtschaft kritisierte. Lafontaine und Schröder hatten zwar in den letzten Monaten immer wieder beteuert, daß sie inhaltlich auf einer Linie lägen, der grundsätzliche Konflikt zwischen ihnen blieb aber niemandem verborgen.

Lafontaine hatte bis zuletzt, auch im kleineren Kreis, darauf beharrt, daß er und Schröder inhaltlich weitgehend einer Meinung seien. Er hatte aber zugegeben, daß er über das Management der Bundesregierung unzufrieden sei. Vor zwei Wochen hatte er vor der SPD-Fraktion geschimpft: So kann man nicht regieren. Markus Franz

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