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Kritische Gratulanten besuchen die taz

■ Gegen „eindimensionale“ Kriegsberichte protestiert eine Handvoll Demonstranten. Mit „romantisierenden Flüchtlingsbildern“ werde „jegliches Vorgehen der Nato“ legitimiert

Berlin (taz) – Schon zwei Tage vor dem 20jährigen Jubiläum überbrachte eine Handvoll Demonstranten der taz gestern einen „herzlichen Glückwunsch“. Freundlich waren die Geburtstagsgrüße aber nur im Ton, nicht in der Sache. Mit den Mitteln der taz-Werbung kritisierte das mitgebrachte Transparent die Kosovo-Berichterstattung: „Endlich Krieg“, hieß es da, „alles wird gut.“

Die taz, so die Demonstranten, habe sich vom Konzept der „Gegenöffentlichkeit“ längst verabschiedet und sei „im Meinungspluralismus“ angekommen. Dahinter verberge sich aber „immer ein totalitärer Konsens“, erklärte ein Teilnehmer. Als Beleg zog er ein zerlesenes Exemplar von Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“ aus der Tasche. „Die Realität des Pluralismus ist ideologisch trügerisch“, las er vor, sie fördere „Manipulation und Gleichschaltung“.

Zwar richtete sich der Protest der Gruppe „Bomb yourself“, die sich vor wenigen Tagen spontan zusammengefunden und für die Aktion „keine große Werbung“ gemacht hatte, auch gegen die Bild-Zeitung. Das Verhalten der taz sei aber „besonders fatal, weil die Leser dächten, sie läsen eine kritische Zeitung“.

Gleichwohl waren die Demonstranten bereit, zwischen taz und Bild zu differenzieren: Während zur rechten Seite des Transparents eine Salatschüssel mit dem Bild-Titel als Stahlhelm diente, lugte auf der linken Seite aus einem löchrigen Salatsieb mit der Aufschrift „taz“ immerhin noch ein grünes Pflänzchen heraus.

Besonders auf den vorderen Seiten habe die taz den Einsatz der Nato-Truppen „herbeigeschrieben“, jetzt rede sie „Bodentruppen das Wort“. Damit erfülle die Zeitung „eine ähnliche Funktion wie die Grünen als Regierungspartei“. Der Abdruck von „romantisierenden Flüchtlingsbildern“ ziele „auf Gefühle und nicht auf den Verstand“ und solle „jegliches Vorgehen der Nato legitimieren“. Allein auf der „Wahrheit“ sei „unter Comics und Vermischtes“ Platz für Polemik gegen den Krieg.

Doch mit dem Happening-Charakter ihres Protests bedienten sich die Kriegsgegner jener Präsentationsform, die sie der taz vorwarfen: „Wahre Nachrichten können durch die Tatsache, daß sie nicht anders aussehen als Unterhaltungsbilder, ihre Wahrheit verlieren.“ Ralph Bollmann

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