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Aids-Stiftung am Limit

■ Mit steigender Lebenserwartung wächst die Not der Erkrankten: Immer mehr Hilfeanträge bringen Stiftung an finanzielle Grenze

Bonn (taz) – Die Deutsche Aids-Stiftung gerät zunehmend in Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Anträgen HIV-Infizierter und an Aids Erkrankter auf finanzielle Hilfe. Dies teilte Vorstand Ulrich Heide gestern in Bonn mit. Weil die Anträge im vergangenen Jahr sprunghaft von rund 4.000 auf 5.372 anstiegen, mußte die Stiftung auf Rücklagen aus Zinserträgen zurückgreifen. Gemessen an 1990 habe sich die Zahl der Anträge sogar verfünffacht, erklärte Heide.

Insgesamt zahlte die Stiftung im vergangenen Jahr mit über vier Millionen Mark fast 700.000 Mark mehr als 1997 an Kranke, Infizierte und Unterstützergruppen. Die Einnahmen aus Spenden konnten den gewaltigen Anstieg nicht ausgleichen. Von Bund und Ländern zahlt lediglich Bremen jährlich 5.000 Mark in den Fonds. An dem Stiftungskapital von rund 32 Millionen Mark hatten sich mit Ausnahme von Bayern noch alle Bundesländer beteiligt.

Während die Rate der Infizierten und Aidskranken weiterhin nur leicht zunimmt, geraten immer mehr von ihnen in soziale Schwierigkeiten und müssen deshalb auf die Mittel der Aids-Stiftung zurückgreifen. Der Grund, so Ulrich Heide, sei „paradoxerweise die höhere Lebenserwartung“ durch verbesserte medizinische Versorgung. Die soziale und materielle Absicherung bleibe weit hinter dieser Entwicklung zurück. Deshalb stellten jetzt auch viele Betroffene wiederholt Anträge auf Zuschüsse.

Die meisten der HIV-Infizierten sind zwischen 15 und 45 Jahre alt. „Die fehlenden finanziellen Rücklagen sind bei diesen Personen das Hauptproblem“, erklärte Heide. Sie seien auf Sozialhilfe angewiesen, sobald sie wegen ihrer Erkrankung nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen könnten. Die Sozialhilfe reiche allerdings für die speziellen Bedürfnisse von Aidskranken nicht aus. „In jedem Aids-Ratgeber steht, man soll sich gesund ernähren, aber die Mittel dafür fehlen oft“, beschreibt Heide das Dilemma.

Besonders die Abstriche bei der Zuzahlung zum Zahnersatz hätten zu einer Steigerung der Hilfegesuche geführt. Viele Anträge bei der Aids-Stiftung würden auch für Fahrkarten gestellt, um Verwandte und Freunde besuchen zu können. Die Stiftung rechnet mit einer weiteren Antragssteigerung. Wenn nicht bald deutlich mehr Spenden eintreffen, seien die Ausgaben nicht mehr zu bewältigen: „Wir sind am Limit.“

Sebastian Sedlmayr

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