piwik no script img

Eine Vergnügungsoase auf sandigem Boden

■ In Berlin soll ein Tivoli nach Kopenhagener Vorbild entstehen, an dem sich die Dänen mit Lizenzgebühren sanieren wollen. Wer das Projekt bezahlen soll, ist aber völlig unklar

Alle hoffen auf den reichen Onkel aus Kopenhagen. In New York möchte die Stadtverwaltung des republikanischen Saubermanns Rudolph Giuliani die Parks auf Randalls und Governor's Island aufmöbeln – und sucht händeringend nach Investoren. In Stuttgart will Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) den Bahnhof unter die Erde legen und ein ganzes Stadtviertel aus dem Boden stampfen.

Doch von dem Prestigeprojekt, dem Schuster seine Wahl verdankt, hat sich die Bahn angesichts sinkender Immobilienpreise schon fast verabschiedet – der schwäbische Rathauschef braucht also dringend ein neues Zugpferd für sein Vorhaben. In der werdenden deutschen Hauptstadt mit ihrem angeknacksten Selbstbewußtsein schließlich sind die Lokalpolitiker ständig auf der Suche nach neuen touristischen Attraktionen. Außerdem haben sie in der Nähe des Potsdamer Platzes einen Park geplant, den sie aus eigener Tasche kaum finanzieren können.

Die Tivoli AG, die in Kopenhagen seit 1843 den gleichnamigen Vergnügungspark betreibt, hat die Notlage der drei Städte erkannt – und will sie nun für die Idee gewinnen, dort Ableger des dänischen Parks zu errichten.

Doch das Angebot hat einen Haken. Bezahlen wollen die Dänen die neuen Parks nämlich nicht – jedenfalls nicht allein. Das Berliner Projekt solle nicht nur mit „dänischem Geld“, sondern auch von „deutschen Investoren“ bezahlt werden, sagt Torben Franch, Vorstandsmitglied von Tivoli International. Auf die Suche nach Geldgebern wolle sich seine Gesellschaft erst begeben, wenn eine Machbarkeitsstudie vorliege. Das, so Franch, sei frühestens zum Jahresende der Fall.

Ohne fremdes Geld sind die Projekte aber zum Scheitern verurteilt. Die Tivoli-Kassen sind leer. Die Zeiten, in denen die breitgestreute Volksaktie des Vergnügungsparks eine lukrative Geldanlage war, sind längst vorbei. Das alte Konzept funktionierte nicht mehr, die Dänen langweilte ihr Park mehr und mehr. Als der Konzern die Saison 1995/96 mit einem Rekordverlust von 50 Millionen Kronen abschloß, wollten die Großaktionäre Carlsberg/Tuborg und Den Danske Bank nicht mehr tatenlos zusehen. Sie installierten einen neuen Vorstand und sorgten für einen Modernisierungskurs. Die Eintrittspreise wurden gesenkt, und im betulichen Vergnügungspark fanden plötzlich Rockkonzerte statt. Zum Sanierungskonzept gehörte es auch, die Parkidee weltweit zu vermarkten. Die Japaner haben bereits angebissen: In der Stadt Kurashiki hat ein Tivoli-Park eröffnet.

Auch das Interesse an Berlin ist nicht neu. Schon vor mehr als zwei Jahren präsentierten die Dänen Pläne für einen Ableger an der westlichen Stadtgrenze zu Brandenburg. Die Kommunalpolitiker waren hellauf begeistert: Bis zu 4.000 Arbeitsplätze sollten entstehen, 700 Millionen Mark sollten investiert werden. Auch der dänische Generalkonsul engagierte sich für das Projekt, das auf heftigen Widerstand der Anwohner stieß. Zwischenzeitlich war auch der Flughafen Tempelhof als Standort im Gespräch. Doch nach einem Jahr platzte die Seifenblase. Die Tivoli Berlin AG konnte nicht einmal mehr die Lizenzgebühren nach Kopenhagen überweisen – und erst recht nicht den Bau eines ganzen Vergnügungsparks finanzieren. Welche Probleme es damals gab, sagt Tivoli-Vorstand Franch heute, „weiß ich nicht“.

Für eine „Luftnummer“ hält der Sprecher des Stadtenwicklungssenators Peter Strieder (SPD) die neuerliche Anfrage trotzdem nicht. „Die haben durchaus Interesse“, glaubt er, „eine solche Attraktion ist für Berlin nicht unwichtig.“ Der geplante Standort am Gleisdreieck in der Nähe des Potsdamer Platzes lehne Strieder jedoch ab. Schließlich sei an dieser Stelle ein öffentlicher Park geplant, um das am dichtesten besiedelte Gebiet in der Stadt zu entlasten. Ein anderer Standort aber, glaubt Strieders Sprecher, werde sich in der Stadt schon finden lassen. Auch Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU), so sein Sprecher, fände einen Vergnügungspark in Berlin „nur positiv“. Allerdings gebe es „keinen Handlungsdruck und keinen Zeitdruck“, das Projekt sei noch „wenig konkret“. Auch eine Lokalzeitung jubelte bereits, aus der „Bauwüste“ am Gleisdreieck werde eine „grüne Vergnügungsoase“.

Die Schwaben geben sich da nüchterner. „Für eine schrumpfende Halbmillionenstadt mit wenig metropolitanem Flair“, schrieb die Stuttgarter Zeitung, sei ein Tivoli-Park zwar „keine schlechte Reklame“. Doch der geplante Standort im Schloßgarten dürfe „nicht zu einem Rummelplatz verkommen“. Auch bei den Rathausfraktionen, so das Blatt, überwiege „Skepsis und Ablehnung“.

In Berlin liegen die Dinge offenbar anders. Schließlich muß sich die wirtschaftsschwache Hauptstadt an jeden Strohhalm klammern. Doch der Traum vom reichen Onkel aus Kopenhagen scheint schon jetzt ausgeträumt. Bleibt nur die Hoffnung, daß die Bonner im Herbst den Geldsack mitbringen. Ralph Bollmann

Es gehört zum Sanierungskonzept des angeschlagenen Tivoli-Konzerns, die Parkidee weltweit zu vermarkten. Bisher haben nur die Japaner angebissen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen