: Jugendfußball bei Hertha: Deutsche zuerst
■ Türkischer Jugendtrainer und Eltern ausländischer Kinder werfen Hertha BSC vor, nichtdeutsche Spieler zu benachteiligen. Unterschriftenaktion geplant. Hertha argumentiert mit fehlenden Trainingsmöglichkeiten
Kinder und Jugendliche ohne deutschen Paß sollen auf Dauer keine Chance bei Hertha BSC bekommen. Nach Angaben eines ehemaligen türkischen Jugendtrainers soll der Ausländeranteil, der derzeit bei 30 Prozent liegt, gesenkt werden. Mustafa Fezer, der bis vor wenigen Wochen Trainer der zweiten E-Jugend war, berichtete gegenüber der taz von einer Trainerversammlung im Januar, auf der festgelegt wurde, weniger ausländische Kinder und Jugendliche bei Hertha spielen zu lassen. „Etwa 50 sind betroffen“, so Fezer. Aus seiner Mannschaft hätten bis auf drei deutsche Spieler alle gehen müssen, was das Aus bedeutete. Lachend habe ihm der Jugendleiter mitgeteilt, daß er keine neue Mannschaft bekomme. „Wenn ein deutscher Junge mit einem Fuß gut schießen kann, dann muß ein türkischer mit beiden Füßen gut sein, um bei Hertha eine Chance zu bekommen“, sagt Mustafa Fezer, der nach eigenen Angaben der letzte ausländische Jugendtrainer im Verein war.
Daß sich die Jugendarbeit bei Hertha BSC auf deutsche Spieler einschießt, bestätigt auch der C-Jugendtrainer Uwe Großmann. „Wir nehmen größtenteils deutsche Spieler auf“, sagte er gegenüber der taz. Der Grund: „Weil die Jungs ja später für Deutschland spielen sollen, achten wir auch auf den deutschen Paß.“ Wenn also zwei gleich gute Spieler da sind, werde der Deutsche genommen. Großmann beklagt, daß es „problematisch“ sei, genügend deutsche Spieler „aus der näheren Umgebung des Sitzes der Jugendabteilung zu finden“, die ihr Domizil im Wedding hat. Dort liegt der Ausländeranteil bei etwa 30 Prozent.
Bei den betroffenen Jugendlichen und deren Eltern stößt diese Auslese auf Unverständnis und Empörung. Erdal Ökmen (Name von der Redaktion geändert) – dessen zwölfjähriger Sohn einen deutschen Paß hat – beschwert sich darüber, daß dieser nicht mal mehr auf der Ersatzbank Platz habe. Der Vater weiß von fast 50 ausländischen Spielern, die seit kurzer Zeit bei Hertha nicht mehr spielen dürften. Aus der Mannschaft seines Sohnes hätten acht ausländische Kinder gehen müssen. Seine Beschwerde beim Trainer sei ohne Erfolg gewesen. Dieser habe der Leitung der Jugendabteilung die Schuld gegeben. Ökmen will nun eine Unterschriftenaktion starten und sich an die Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) wenden. Von Hertha habe er bisher nur die Rechnung für den Jahresbeitrag bekommen.
Der Geschäftsführer der Jugend- und Amateurabteilung bei Hertha BSC, Bernd Wusterhausen, weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. „Es geht nur nach Leistung und den Trainingskapazitäten“, sagte er gegenüber der taz. Aufgrund fehlender Trainingsmöglichkeiten seien zwei Jugendmannschaften aufgelöst worden, und deshalb hätten etwa 100 Kinder und Jugendliche den Verein verlassen müssen. Darunter seien bis zu 40 Spieler ausländischer Herkunft gewesen. Wusterhausen betont, daß das nichts mit einer Senkung des Ausländeranteils zu tun habe.Unter den Spielern seien viele gewesen, die mit den Leistungen der anderen nicht Schritt halten konnten. Von der Trainerversammlung im Januar, auf der es um eine Senkung des Ausländeranteils ging, sei ihm nichts bekannt. Marco Zschieck
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