■ Kommentar: Postenschacher Ist Klimmt eine Chance für die rot-grüne Verkehrspolitik?
Die Amtsstube des deutschen Verkehrsministers bleibt ungetrübt von Sachverstand. Kein Fachmann, nirgends. Auf den ahnungslosen Noch-Minister Müntefering folgt der ahnungslose Neu-Minister Klimmt. Der verdankt seine Berufung allein der Links-rechts-Koalitionsarithmetik. Der Lafontaine-Flügel soll in die Kabinettsdisziplin eingebunden werden, um weitere Sprenggranaten frühzeitig zu entschärfen. Verkehrspolitik als Entsorgungsdeponie.
Auch die übrigen Kandidaten – Ibrügger, Mosdorf, Andres – hätten beim Stichwort Bundesverkehrswegeplan wohl zuerst an den Shell-Atlas gedacht. Sie waren vor allem deshalb im Gespräch, weil ihr alter Posten interessant war, um den bisherigen Bundesgeschäftsführer Schreiner abzuschieben. Die wirklich guten Fachleute, wie von Weizsäcker oder Sachsen-Anhalts Minister Heyer, waren nicht einmal in der Diskussion.
So wird Verkehrspolitik zum Produkt des Zufalls. Der meint es diesmal ganz gut: Im Saarland sind in der Tat einige erfreuliche verkehrspolitische Ansätze zu sehen. Von der neuen Saar-S-Bahn bis zum Studententicket wurde zumindest versucht, der Mobilität jenseits der Erotik des Rallyestreifens ein anderes Gesicht zu geben. Womöglich hat sich Automann Schröder mit seiner tollen Taktik ein grünliches Ei ins Nest gelegt. Entscheidend wird sein, welche Leute Klimmt mitbringt und ob er die alten Autopolitiker der Ära Müntefering wieder loswird. Dass es in der Verkehrspolitik brennt, ist offensichtlich. Die Bahn kränkelt weiter, ihr Güteraufkommen ist unter Rot-Grün nochmals dramatisch zurückgegangen, die Lasterepidemie wütet, die Mobilität leidet ebenso wie Mensch und Umwelt.
Was bleibt von der Ära Müntefering? Die Fortschreibung der Misere. Pluspunkte: der Vorstoß zur kilometerabhängigen Lkw-Straßennutzungsgebühr und ein Appell an die über 70-Jährigen, etwas weniger Auto zu fahren. Schwachpunkte: Absage an Tempo 30, Abschied von der ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt, Kniefälle vor dem Transrapid, Milliarden für die Autobahn Thüringer Wald, für die Autobahn Schwerin – Wismar, für den vierspurigen Rügen-Zubringer, die künstliche Beatmung des alten Bundesverkehrswegeplans von Vorvorgänger Krause. Mit Klimmt kann es nur besser werden. Andernfalls wird weiter links geblinkt und rechts reingefahren. Manfred Kriener
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