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Vom Bremser zum gebremsten Antreiber

Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zieht keine schlechte Bilanz aus einem Jahr rot-grüner Entwicklungspolitik. Aber die Sparpläne des Finanzministers lähmen die Euphorie  ■   Von Katharina Koufen

Berlin (taz) – „Unter der neuen Regierung ist Deutschland vom Bremser zum Antreiber geworden.“ Das ist die Bilanz von Heidemarie Wieczorek-Zeul aus einem Jahr rot-grüner Entwicklungspolitik. Und sie wirkt überzeugend, wenn sie sagt: „Wenn wir die globalen Rahmenbedingungen beeinflussen, verändern wir mehr, als wenn wir im Alleingang Entwicklungszusammenarbeit betreiben.“ Und: „Entwicklungspolitik ist eine Investition in unsere eigene Zukunft.“

Anders als es bei ihrem Vorgänger Carl Spranger (CDU) oft den Anschein hatte, nimmt die neue Ministerin für Entwicklung ihr Ressort wichtig und verteidigt es, auch gegen das Auswärtige Amt und den Finanzminister. Das wird auch auf Nichtregierungsseite gelobt: „Spranger war wie ein Trojanisches Pferd, über den die Finanzinstitutionen ihre Strukturanpassungsprogramme in die Entwicklungszusammenarbeit einschmuggelten.“

Der bislang offensichtlichste Erfolg ihrer Amtszeit: der Vorstoß der Bundesregierung beim Kölner Gipfel. „Ohne das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) hätte es keinen Beschluss zum multilateralen Schuldenerlass gegeben“, betont Wieczorek-Zeul.

Aber man muss unterscheiden zwischen dem BMZ und der Bundesregierung. Die schönsten Absichtserklärungen der Ministerin helfen nichts, wenn ihr gleichzeitig 674 Millionen Mark gekürzt werden – das sind mehr als acht Prozent ihres Haushalts – und sie immer häufiger in Krisensituationen wie nach dem Hurrikan Mitch den eigenen Topf anzapfen muss. „Das geht auf Kosten der ärmsten Länder“, kritisieren Nichtregierungsorganisationen. Und auch die Ministerin selbst protestiert: „Wir sind schließlich nicht das Krisenministerium.“

Hier zeige sich deutlich, dass das BMZ innerhalb der Regierung keine Aufwertung gefunden habe, heißt es beim entwicklungspolitischen Verband WEED. Vielmehr werde der Stabilitätspakt für den Wiederaufbau in Südostasien vorgeschoben. Für den hat die Regierung eine jährliche Summe von 300 Millionen Mark zugesagt.

Trotz der Finanzmisere will die Ministerin weitermachen wie bisher. Sie verweist auf die Erfolge der letzten Monate: etwa eine Initiative, die sich weltweit für ein Mindestalter von 18 Jahren für Soldaten einsetzt. Und ihr persönlicher Einsatz gegen Weltbankkredite für Projekte wie kürzlich einen Staudamm in Indien, dessen Bau sie verhindern konnte.

„Heidi hält sich tapfer“, kommentiert eine Sprecherin von WEED. „Aber andere Ministerien haben eben auch bei dieser Regierung mehr zu sagen.“

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