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Stille im Schatten des toten Kaisers

■ Auf dem verlassenen Landsitz des ehemaligen zentralafrikanischen Diktators Bokassa

Berengo (taz) – Die Geräusche sind die des Schattens, aber überall leuchtet Sonne. Erst beim Eintreten in die dunklen Höhlen hinter schmutzigweißen Mauern wird klar, warum Afrikas Tierwelt dies für einen Urwald halten könnte. Ein verschlungenes Dickicht aus Holz und Schaumgummi ragt aus einem Boden voller Unrat bis zu einer kahlen Wand.

Dies war einmal der Kinosaal von Bokassa I., „Kaiser“ des „Zentralafrikanischen Reiches“, wie Diktator Jean-Bedel Bokassa einige Jahre vor seinem Sturz 1979 die Zentralafrikanische Republik nannte. Von dem ganzen prächtigen „Domaine Imperial de Berengo“, das der zentralafrikanische Diktator während seiner Herrschaftszeit 1965 – 79 auf seiner Familienfarm errichtete, ist nichts geblieben außer eine bizarre Ruinenlandschaft.

Noch immer umgeben hohe Mauern und tote Suchscheinwerfer das riesige Gelände, das einst eine Mischung aus Versailles-Palast und Musterfarm werden sollte. Ausgeweidete landwirtschaftliche Geräte verrosten zwischen leeren Lagerschuppen. Auf der Einfahrt, im Schatten unter einem Baum, hält ein großer Soldat breitbeinig und stumm Wache. Manchmal meint man beim Blick in die Fensterhöhlen, Stimmen zu hören – aber es sind nur die unzähligen Insekten, die mit Zirpen und Summen die Schwüle füllen.

Berengo liegt etwas außerhalb von Bokassas Geburtsort Pissa, etwa 60 Kilometer südwestlich der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui. In Pissa hat der Diktator Segnungen hinterlassen: Rathaus und Post, Verkehrsschilder und eine Tempo-30-Zone, die allerdings niemand beachtet. Denn die Straße aus Bangui durch diese Gegend ist die beste des Landes, eine richtige Rennstrecke – seit 1971 ist sie geteert und wird regelmäßg repariert. Kurz vor Berengo gibt es sogar eine Ampel, mitten im Busch, wenngleich sie nicht funktioniert.

Aus dem Busch ragen auch die Masten von Bokassas Privatflughafen, heute eine Mülldeponie. Die Piste dahin gilt als vermint. „Nach seinem Sturz landeten da die Franzosen und nahmen alle die kostbaren Dinge per Hubschrauber mit in ihre Botschaft“, erinnert sich ein Zeitgenosse. „Das war das Startsignal für die Leute hier, zu plündern.“ Frankreich hatte Bokassa erst hochgezogen, 1977 seine pharaonische Krönung zum „Kaiser“ bezahlt und zwei Jahre später abrupt fallen gelassen, als seine Diamantengeschäfte mit dem damaligen französischen Präsidenten Valery Giscard d'Estaing Paris kompromittierten.

1996 starb Bokassa, verarmt und fast vergessen. Bis heute gilt er in seiner Heimat als großer, wenn auch gegen Ende verrückter Despot. Fragt man in der Hauptstadt Bangui, wer der beste Herrscher des Landes war, bekommt man fast immer die Antwort: Bokassa. Seine dem antiken Griechenland nachempfundenen Säulen schmücken noch immer einige Straßen der Stadt und werden sogar vom derzeitigen Präsidenten Ange-Felix Patassé – einst Bokassas Premierminister – restauriert.

Aber in Berengo lässt sich kein Mensch blicken. Nur der breitbeinige Wächter über die Einfahrt bleibt regungslos stehen. Er ist auch gar kein Wachsoldat. Er ist die aus der Ferne täuschend echte Statue des verstorbenen Kaisers. Dominic Johnson

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