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Aus dem Bauch der Zweifler

■ Wortkombinationen, die Germanisten nicht mal ahnen: Die HipHopper Kinderzimmer Productions und Main Concept in Berlin

Jetzt kommt es drauf an. Kann man den Scheiß noch hören? Oder eher nicht? Jetzt wird sich entscheiden, ob deutscher HipHop bleibt. Oder ob er sich wieder verabschiedet aus Charts, Radio, Mainstream und zurückkehrt in die Jugendzentren, auf die Jams und auf die Straße.

Wie es dort war, wie es dort wieder sein wird, kann man überprüfen bei der Tour von Main Concept, Sammy De Luxe und Raptile. „Das ist eine Freestyle-Tour!“, heißt es voller Stolz. Will meinen: Hier rappt jeder, was ihm gerade in den Sinn kommt. Oder er tut wenigstens so. Und: Hier hält man noch die wahren Werte hoch.

In diesem Zusammenhang sind natürlich Historie und Verdienste gar nicht hoch genug zu bewerten. Main Concept aus München bieten davon reichlich, sie haben sich ausdrücklich einen Ruf als moralisch integre Vertreter von HipHop erworben. Das heißt, Freestyle-Platten aufnehmen, politische Texte reimen und als gute Kumpels der Absoluten Beginner den großen verbindenden Bogen vom Süden der Republik in den Norden schlagen. Den Weg ihrer Hamburger Freunde an die Fleischtöpfe werden sie aber eher nicht finden.

Zwar sind sie mit den Jahren und in aller Öffentlichkeit sehr erfolgreich erwachsen und irgendwie auch elegant geworden, aber immer noch hören sich ihre Tracks manchmal etwas unbeholfen an. Man könnte auch sagen widerborstig, als würden sie dem Frieden nicht vollständig trauen. Das aber könnte man auch schon wieder als nicht ungeschicktes Besetzen einer Nische vermarkten.

So oder so, unsere Helden sind in einem krisensicheren Gewerbe zu Hause. Hat man sich nicht allzu dreist verkauft, und sollte es nicht klappen mit dem Erfolg, dann bleibt immer noch der geordnete Rückzug in die heimelige Welt des Underground-HipHop.

Kinderzimmer Productions heißen bekanntermaßen nur zufällig so, als wären sie diesen Weg bereits gegangen. Mit ihrem Namen, den sie sich im von HipHop-Traditionen und -Gegenwart gänzlich unbeleckten Ulm suchten, als sie selbst tatsächlich fast noch Kinder waren, sind sie heute nicht mehr allzu glücklich. Aber ein eingeführtes Markenzeichen gibt man auch nicht so leicht wieder auf.

Natürlich klänge ihnen das mit dem Markenzeichen viel zu absichtlich, zu geschäftsmäßig. Sind Rapper Textor und Soundschmied Quasi Modo doch nicht beim HipHop gelandet, weil sie sich eine Karriere versprachen. Es war ja noch nicht mal schick, in Ulm zu rappen. Sie waren schlicht allein mit ihrer Begeisterung. So abgeschnitten konnte sich dort unten ein wandelnder Widerspruch entwickeln: Zum einen ist niemand so traditionsbewusst wie Kinderzimmer Productions, zum anderen hat wohl niemand sonst in HipHop-Deutschland einen so eigenen, identifizierbaren Stil entwickelt.

Weil sie fast ausschließlich die US-Vorbilder hörten, sind sie musikalisch fast konservativ und wehren sich erfolgreich gegen die Eingängigkeit der Kollegen aus dem ja eigentlich nicht so weit entfernten Stuttgart. Das klingt dann zwar altmodisch, aber sehr schön. Fast schon gemütlich, Partytracks sind das jedenfalls nicht. Und wenn Textor reimt, dann ist Hamburg genauso weit weg wie Compton.

Seine Nachrichten aus dem Bauch des berufsmäßigen Zweiflers, der jeden Gedanken dreimal hinterfragt und ihn dann doch widerruft, sind einmalig im Rap. Das, was Main Concept sich selbst zuschreiben, nämlich „Wortkombinationen, die Germanisten nicht mal ahnen“, könnte eher auf die Ulmer Kollegen gemünzt werden.

Wie man das macht? „Ich rauche mein Hirn nicht in der Pfeife“, rappt Textor. Dieser HipHop jedenfalls wird sicher bleiben. Und wenn man demnächst dann wieder ins Jugendzentrum gehen muss, um ihn zu hören.

Thomas Winkler ‚/B‘ Kinderzimmer Productions, heute um 21 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei, Knaackstraße 97 Main Concept, am 12. 9. um 21 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224

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