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Australien unter Handlungsdruck

■  Australiens Bevölkerung will Massakern in Osttimor nicht untätig zusehen

Die Bilder der Milizen, die unterstützt von indonesischen Soldaten und Polizisten mordend und brandschatzend durch Osttimor ziehen, haben die australische Öffentlichkeit entsetzt und aus ihrer jahrzehntelangen Apathie gerissen. Rundfunksender berichten rund um die Uhr. Die Leserbriefseiten der Zeitungen können die vielen Zuschriften nicht mehr alle abdrucken.Tausende Australier demonstrieren. Die Gewerkschaften boykottieren indonesische Unternehmen. Im Sog der öffentlichen Meinungen haben sich selbst der australische Premierminister John Howard und Außenminister Alexander Downer zu ungewöhnlich kritischen Äußerungen hinreißen lassen.

In der Vergangenheit haben sich die verschiedensten Regierungen der 18 Millionen Australier – linke wie rechte – stets um gute Beziehungen zum Nachbarland mit über 200 Millionen Einwohnern bemüht – und dabei beständig Augen und Ohren gegenüber Menschenrechtsverletzungen verschlossen. Als indonesische Soldaten 1975 in die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor einmarschierten, war von der damaligen Labour-Regierung nicht ein Wort des Protests zu hören. Im Gegensatz zur UNO erkannte die auf Labour folgende konservative Regierung Osttimor wenige Jahre später als Provinz Indonesiens an.

Diese Vergangenheit bereitet der heutigen australischen Regierung, die sich mit 4.500 Soldaten an UN-Friedenstruppen beteiligen will, erhebliche Glaubwürdigkeitsprobleme.

Ohnehin will Australien nur dann Friedenstruppen zur Rettung der Osttimoresen entsenden, wenn Indonesien einwilligt. Alles andere „käme einer Kriegserklärung gleich“, wiederholen Premierminister Howard und sein Außenminister immer wieder.

Justice John Dowd, Richter am höchsten australischen Gericht und Experte für internationales Recht, hält das für eine Ausrede. „Krieg kann es nur geben, wenn ein Land in das Gebiet eines anderen Landes eindringt. Offiziell ist Osttimor immer noch eine portugiesische Kolonie. Portugal könnte eine UN-Friedenstruppe einladen – und Australien könnte sich daran auch ohne die Zustimmung Indonesiens beteiligen. Die Regierung muss nur die ohnehin zweifelhafte Anerkennung der Annektion Osttimors durch Indonesien widerrufen.“

Die Entrüstung der australischen Bevölkerung setzt die konservative Regierung John Howards unter Handlungsdruck. Bis vor wenigen Wochen noch war Australien stolz auf seine guten Beziehungen zu Indonesien – vor allem auf dem Verteidigungssektor. In den vergangenen Jahren haben Australien und Indonesien eng zusammen gearbeitet. Viele hochrangige indonesische Offiziere sind in Australien ausgebildet worden. Die beiden Länder unterhalten enge geheimdienstliche Kontakte.

Auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Australien und Indonesien blühen. 1975 lockten die Australier die Erdölvorkommen in der Timorsee, heute vor allem der riesige Absatzmarkt.

Der außenpolitische Sprecher der australischen Labour-Opposition, Laurie Brereton, fordert eine sofortige Suspendierung aller Hilfsgelder und die Einstellung der „besonderen Verteidigungsbeziehungen“, auf die seine eigene Labour-Regierung so stolz war.

Die australische Regierung würde eine weitere Konfrontation mit Jakarta gerne vermeiden. Sie will die von indonesischen Militiärs angestachelten nationalistischen und antiaustralischen Gefühle nicht anheizen. Selbst wenn die indonesische Regierung Friedenstruppen nach Osttimor holen sollte, möchte Australien nicht alleine Soldaten schicken und damit den geballten Zorn der Indonesier auf sich ziehen.

Doch die internationale Staatengemeinschaft reißt sich nicht gerade um einen Friedenseinsatz. Das erkannte auch ein Rundfunkkommentator: „ Die Amerikaner wollen höchstens ein paar Dutzend Marines schicken, die Briten eine einzige Fregatte, die Neuseeländer ein paar hundert Soldaten. Australien muss einfach einsehen: Den Rest der Welt kümmert Osttimor einen Dreck.“

Esther Blank, Sydney

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