piwik no script img

■ Reiche sollen es leichter haben, ihr Geld freiwillig abzugeben: Die Grünen planen eine Reform des Stiftungsrechts, die steuerliche Entlastungen und die unbürokratische Gründung von Stiftungen vorsieht. Der Finanzminister sträubt sich noch. Stifter haben oft private Gründe für ihre Großzügigkeit: Eine harte Kindheit oder der Wunsch, sich selbst ein Denkmal zu setzen  Von Barbara DribbuschStiften für die Ewigkeit

Auf diese Frage hat Lothar Hemshorn gewartet. Warum hat er die halbe Million gestiftet, einfach so, aus seinem Vermögen? Die Frage verlangt nach seiner Lebensgeschichte, die der 75-Jährige gerne erzählt. „Neben dem Hochofen in Gelsenkirchen bin ich groß geworden. Im schrecklichsten Teil des Ruhrpotts!“, schildert er, „nur am Sonntag gab es ein Stückchen Fleisch im Topf.“ Andere sollen es einmal besser haben.

Mit seiner Lothar-und-Ingrid-Hemshorn-Stiftung fördert der Hamburger Kaufmann jetzt die Ausbildung „begabter, bedürftiger, christlicher Kinder“. Er ist einer von vielen tausend Wohlhabenden in Deutschland, die kleinere Stiftungen gründen. Anderthalb Jahre habe es gedauert, bis seine Stiftung genehmigt wurde, seufzt Hemshorn. Nach Plänen der Grünen sollen es Leute wie er künftig leichter haben. Ziel des von den Grünen geforderten Gesetzes ist es, dass Stiftungen künftig nicht mehr umständlich genehmigt, sondern nur noch in ein Register eingetragen werden müssen. Außerdem sollen Stiftungen steuerlich gefördert werden (siehe unten). Die SPD-Fraktion stimmt dem Vorstoß in weiten Teilen zu. Eine erste Lesung des Gesetzes soll vor Ende des Jahres erfolgen.

Wir werben ausdrücklich darum, dass der „unbekannte Reiche“ sich endlich vor Ort in einem mit ihm identifizierbaren Projekt 'outet‘“, sagt der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Klaus Müller. Doch wie lockt man die Wohlhabenden, etwas vom Erschufteten oder Ererbten abzuzweigen? „Stifter haben in der Regel mehrere Motive“, zählt Rupert Graf Strachwitz auf, Direktor des Maecenata-Instituts, das sich mit Stiftungsforschung beschäftigt. „Manche sind Selfmade-Leute und schnell zu Geld gekommen. Die wollen jetzt was zurückgeben. Andere haben geerbt. Einige mussten einen Schicksalsschlag verkraften.“

So zum Beispiel Anna Hofmann aus der Oberpfalz. Als ihr drittes Kind schwer erkrankte, schwor die heute 51-jährige Hausfrau, „sich dankbar zu zeigen“, wenn man dem Jungen helfen könne. Ihr Sohn wurde geheilt, und Hofmann rief mit 100.000 Mark die Anna-Stiftung ins Leben. Sie soll Hilfe leisten für „Kinder in akuten Notlagen“. Der Ertrag der Anna-Stiftung ist zwar klein und liegt nur bei etwa 6.000 Mark im Jahr. Immerhin aber finanziert Hofmann damit einem Lehrling, der nicht mehr bei seinen Eltern leben kann, einen Platz im Wohnheim. Jetzt sammelt sie Spenden für die Stiftung und hat eine eigene Website eingerichtet. „Ich will mal sehen, wie alles so anläuft.“

Mehr als 8.000 Stiftungen hat das Institut in der Datenbank. Laut einer Befragung verfügt mehr als die Hälfte der Stiftungen über ein Kapital von unter einer halben Million Mark, 30 Prozent besitzen ein bis fünf Millionen Mark. Ob im Zuge der Erbschaftswelle mehr Stiftungen gegründet werden, wenn steuerliche Erleichterungen kommen, wird von Experten jedoch kritisch gesehen.

„Dahinter steckt der Traum von einer leichten Problemlösung“, gibt Eckhard Priller zu bedenken, Sozialforscher am Berliner Wissenschaftszentrum (WZB). Doch im Unterschied zu den USA, die oft als Vorbild genannt werden, leben in Deutschland nur wenige Superreiche. Auch gebe es in Deutschland nicht die gleichen Lücken im Sozial- und Bildungssystem wie in Amerika. „Der Ausweitung des Stiftungswesens hierzulande sind Grenzen gesetzt“, glaubt Priller. Nach einer Befragung durch das WZB sind im Westen nur 13 Prozent (Osten: 18 Prozent) bereit, im Falle einer Erbschaft einen Teil des Ererbten für gemeinnützige Zwecke abzuzweigen.

Stiftungen hängen nicht nur vom Geld, sondern auch von der Persönlichkeit ab. Der 81-jährige Graf von der Groeben beispielsweise hat sich mit seinen Stiftungen zu einem spannenden Lebensabend verholfen; er und seine Frau sind mit ihren drei Stiftungen gut beschäftigt. So viel Spaß habe er in seinem Leben noch nie gehabt, freut sich der Multimillionär. Mit einer Stiftung „Weltethos“ zur Förderung des Theologen Hans Küng stieg Groeben in das Stiftungswesen ein. Dann gründete er die Amadeu-Antonio-Stiftung, um das Verständnis zwischen Ausländern und Deutschen zu fördern. Unlängst rief er auch noch die Karl-Konrad-und-Ria-Groeben-Stiftung zum „Austausch zwischen den Weltreligionen“ ins Leben.

Doch millionenschwere Stifterpersönlichkeiten wie von der Groeben sind selten. Um an die Erbschaften der Mittelschicht heranzukommen, wurden daher in den vergangenen Jahren mehrere „Bürgerstiftungen“ gegründet. „Die Idee ist eigentlich alt“, sagt Ulrich Brömmling vom Bundesverband Deutscher Stiftungen: Mehrere Bürger bringen ihr Geld, manchmal nur wenige tausend Mark, oder auch ihren Nachlass in eine Art Gemeinschaftsstiftung ein. Aus deren Erträgen wird dann beispielsweise die Jugendarbeit in einer Kommune gefördert.

Doch die Summen dieser Stiftungen und damit die Erträge sind nach wie vor sehr gering im Vergleich zu den kommunalen Haushalten. Die als erfolgreich geltende Gemeinschaftsstiftung der Arbeiterwohlfahrt Essen beispielsweise verfügt inzwischen über ein Vermögen von rund vier Millionen Mark – das bedeutet aber nur rechnerische Zinserträge zwischen etwa 200.000 und 300.000 Mark im Jahr.

Dem Wunsch, sich zu verewigen, kommt die Gemeinschaftsstiftung der AWO Essen dabei in abgestufter Form nach: Wer in diese Stiftung eine größere Summe einzahlt, dessen wird im Essener AWO-Park mit einem „Stifterbaum“ gedacht, neben dem ein Findling an den großzügigen Spender erinnert. Wer eine kleinere Summe lockermacht, findet sich immerhin noch namentlich auf den Blättern immergrüner Plexiglas-Bäume wieder, die in den Räumen der AWO-Ortsverbände stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen