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Elfjähriger Raoul kehrt heute in die Schweiz zurück

■ Verfahren wegen Inzests und sexueller Nötigung nach formalen Fehlern eingestellt

Golden (dpa/taz) – Dem elfjährigen Raoul bleibt ein Prozess in den USA wegen Inzests und sexueller Nötigung seiner kleinen Schwester erspart. Das Gericht in Golden im US-Bundesstaat Colorado folgte am Mittwoch dem Antrag der Verteidiger, das Verfahren wegen formaler Rechtsverstöße einzustellen. Raoul Wütherich werde zu seiner Familie zurückkehren, sagte Anwalt Vincent Todd nach der fast vierstündigen Anhörung.

Richter James Zimmermann sah zwischen dem Zeitpunkt der Festnahme und der Anklageverlesung mehr als die 60 Tage verstrichen, innerhalb derer noch von einem raschen Verfahren gesprochen werden kann. Da dem Jungen die Kaution verweigert wurde, hätte eigentlich innerhalb von 60 Tagen der Prozess eröffnet werden müssen. Zimmermann knüpfte keine Bedingungen an die Freilassung des Jungen. Für den Elfjährigen endet damit eine zehnwöchige Trennung von seiner Familie und Freunden. Die Eltern waren mit weiteren drei Kindern nach der Festnahme ihres Sohnes sofort in die Schweiz geflüchtet, die Heimat des Stiefvaters von Raoul. Als Grund hatten sie die Angst genannt, von den US-Behörden selbst verfolgt zu werden.

Raul war am späten Abend des 30. August im Haus der Eltern in Evergreen bei Denver festgenommen worden. Die Polizei führte den Jungen, der die Schweizer und die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, ohne Vorlage eines Haftbefehls in Handschellen ab. Dies kommt nach Ansicht des Anwalts von Raoul einem Verstoß gegen die US-Verfassung gleich. Raoul saß zunächst sieben Wochen in einem Jugendgefängnis, bevor er einer amerikanischen Pflegefamilie zugewiesen wurde.

Erst am vergangenen Montag war die Anklageverlesung erfolgt. Raoul, der sich dabei für „nicht schuldig“ erklärte, soll nach Beobachtungen einer Nachbarin seine fünfjährige Halbschwester im Intimbereich berührt und geküsst haben. Nach Darstellung der Eltern wollte er seiner Schwester beim „Pipi machen“ helfen. Der stellvertretende Staatsanwalt Sergei Thomas sagte, die Entscheidung des Gerichts habe nichts mit dem eigentlichen Verfahren zu tun. Nach Ansicht von Thomas braucht Raoul eine Behandlung.

Schweizer Diplomaten nahmen die Entscheidung des Gerichts mit Erleichterung auf. Der Sprecher der Schweizer Botschaft, Manuel Sager, sagte, jetzt könne der Junge dahin gehen, wohin er gehöre: zu seiner Familie. Er werde schon heute in der Schweiz eintreffen. Seine Eltern erklärten, sie wollten nicht nach Colorado zurückgehen.

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