: „Wir haben im Kongo nichts zu suchen“
■ Ruandas Vizepräsident Paul Kagame begründet, warum er die ruandische Militärintervention im Kongo schnellstmöglich beenden will. Seine Bedingung: die Stationierung einer Truppe, die die Sicherheitsinteressen Kigalis berücksichtigt
taz: Sie sind jetzt seit etwas über fünf Jahren an der Macht. Ruanda ist weitgehend friedlich, der Wiederaufbau geht voran, die Bedrohung durch Hutu-Milizen ist zurückgegangen, Sie haben ein Drittel des benachbarten Kongo unter Ihre Kontrolle gebracht. Sind Sie zufrieden mit Ihren Leistungen?
Paul Kagame: Ich bin zufrieden. Es sind viele Fortschritte gemacht worden. Aber um unsere Leistungen zu beurteilen, muss man den Kontext sehen. Wir hatten nach dem Völkermord komplexe Probleme zu behandeln.
Früher klagte Ihre Regierung oft, die internationale Gemeinschaft würde sie nicht verstehen. Hat sich das Verständnis aus Ihrer Sicht gebessert?
Nicht bei allen. Ich glaube nicht, dass wir völlig verstanden werden. Dann wäre die Unterstützung für uns viel greifbarer.
Welche Unterstützung, die Sie gerne hätten, kriegen Sie denn nicht?
Ruanda hätte es im Lichte der tragischen Ereignisse von 1994 verdient, als Sonderfall behandelt zu werden, und eventuell sogar in den Genuss eines Marshallplans kommen sollen. Aber Ruanda wurde als Normalfall behandelt. Die internationale Gemeinschaft hat damit gezeigt, dass sie die Lage nicht versteht.
Nun sind Sie ja selber nicht untätig geblieben. Ruanda griff militärisch im Kongo ein, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Jetzt kontrollieren Sie ein Drittel des Kongo. Sind Sie zufrieden mit der Lage dort und mit der Umsetzung des Lusaka-Friedensprozesses, der den Kongo-Krieg beenden soll?
Wenigstens ist der Lusaka-Prozess viel besser als gar nichts. Wie schnell er vorangehen und wie weit er führen kann, hängt von allen möglichen Dingen ab, von der Ernsthaftigkeit der anderen, die Kongolesen eingeschlossen. Dass es diesen Prozess gibt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber alle Teilnehmer sollten mehr tun, damit er zu Ergebnissen führt.
Ruanda auch?
Wir tun unser Bestes. Wir halten uns an den Waffenstillstand. Wir appellieren an die Welt, sich stärker einzuschalten.
Wie beurteilen Sie die UN-Beobachtermission im Kongo?
Die UNO ist langsam gewesen, aus Gründen, die wir nicht verstehen. Ich frage mich, warum sie dem Kongo nicht mehr Kraft widmet, warum ihr nicht mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Würde Ruanda aus dem Kongo abziehen, wenn die UNO eine Truppe entsenden würde?
Ob die UNO oder sonst jemand – wenn auch nur ein einziges Land unsere Streitkräfte ersetzen und unsere Sicherheitsbedenken berücksichtigen würde, würden wir noch am selben Tage abziehen. Jeder kann kommen und unseren Platz einnehmen – dann sind wir bereit, zu gehen.
Was möchten Sie im Kongo hinterlassen? Sie sind ja nicht nur militärisch aktiv, sondern bauen politische Strukturen auf.
Sicherheit hängt von militärischen und politischen Faktoren ab. Die Kombination von beidem kann bessere Ergebnisse bringen. Im Kongo bekämpfen wir nicht nur die früheren ruandischen Soldaten, sondern wir versuchen, den Kongolesen klarzumachen, worum es uns geht und warum wir in ihrem Land sind. Wenn wir ihnen helfen können, ihre eigene Lage zu meistern, sind wir dazu bereit.
Viele Kongolesen sagen, dass sie weder die ruandischen Milizen ins Land gebeten haben noch die ruandische Armee, und wünschen sich, dass die Ruander alle nach Hause gehen.
Sie haben ein Recht, diese Sorgen zu haben, und wir haben ein Recht, unsere Sorgen zu haben. 1994 (als nach dem Völkermord an Ruandas Tutsi das dafür verantwortliche Regime zusammenbrach, die RPF die Macht übernahm und zwei Millionen Hutu das Land verließen – d. Red.) gingen Flüchtlinge aus Ruanda nicht nur nach Kongo, sondern auch nach Tansania und Burundi. Aber warum kamen die Probleme von Flüchtlingslagern, die als Basen für bewaffnete Gruppen zum Töten unseres Volkes dienten, nicht aus Tansania und Burundi, sondern aus Kongo? Es gab dort also gewisse Bedingungen, die dieses Problem begünstigten. Wenn die Kongolesen die Verantwortung dafür übernehmen, dass ihr Land solchen Kräften keinen Unterschlupf bietet, haben wir im Kongo nichts zu suchen. Wir sind nicht gerne im Kongo! Wir haben dort nichts zu suchen. Unsere eigenen Probleme, die von dort kommen, ziehen uns dorthin.
In letzter Zeit ist der Krieg in Burundi wieder aufgeflammt. Ist das eine Bedrohung der Sicherheit Ruandas?
Langfristig sehen wir es als potentielle Bedrohung. Jetzt ist es noch keine.
Wenn es eine würde, würde Ruanda in Burundi eingreifen?
Um Eingreifen geht es noch nicht. Wir müssten aber natürlich etwas machen. Heute beschränken wir uns darauf, den regionalen Friedensprozess zu unterstützen.
Steckt Ruanda in einer Wirtschaftskrise? Vor kurzem sagte Ruandas Premierminister, 180.000 Familien seien vom Hunger bedroht. Dann wurde eine Sonderabgabe zur Finanzierung des Militärhaushalts eingeführt.
Es stimmt, einige Landesteile sind vom Hunger betroffen. Aber das liegt nicht an Missmanagement, sondern es gab keinen Regen. Was das Geld für den Militärhaushalt angeht: Es ist keine Abgabe, keine Steuer, sondern Leute fragten uns, ob sie zur Sicherheit des Landes beitragen können. Es ist freiwillig. Es ist wie in der Kirche, wenn der Klingelbeutel herumgeht.
Wie viel ist hereingekommen?
Es fängt gerade erst an. Man hofft, dass Millionen hereinkommen! Zum Beispiel haben Parlamentsabgeordnete begonnen, drei Monatsgehälter zu spenden. Ich bin auch zu einem Beitrag bereit!
In diesem Jahr hat Ihre Regierung eine neue Landesflagge eingeführt, worauf Kritiker meinten, Ihre RPF richte sich auf Dauer an der Macht ein. Tun Sie das?
Die neue Flagge war nicht die Idee der RPF, sondern der RPF und ihrer Partner. Wir redeten sechs Monate mit Parteien, Wissenschaftlern, Politikern, Kirchenleuten, um unsere Geschichte zu analysieren. Die Idee der Fahne kam, als Leute sagten, wir sollten Symbole haben, die unsere Vielfalt widerspiegeln, statt solcher, die nur einen Teil der Nation vertreten. Ruanda muss sich verändern. Das hat nichts damit zu tun, dass die RPF an der Macht bleiben wollte.
Derzeit wird Ruanda von einer Übergangsregierung regiert, die ihre Amtszeit dieses Jahr um weitere fünf Jahre verlängerte. Was kommt danach?
Die Übergangsregierung bereitet das Land auf eine dauerhafte Demokratisierung, dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung und dauerhafte Versöhnung vor. Sie baut die Grundlagen, indem sie ihre Leistungen konsolidiert.
Wird Ruanda zu Ihren Lebzeiten je eine normale Mehrparteiendemokratie werden?
Das ist es doch schon, zum Teil! Wir haben fünf Parteien in der Regierung und acht im Parlament.
Ich meine, mit demokratischen Wahlen und der Möglichkeit eines Regierungswechsels?
Warum nicht?
Interview: Dominic Johnson
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