: Wehrsport oder Paintball?
Heinz-Christian Strache, Chef der rechten österreichischen FPÖ, hat sich bei Kriegsspielen im Wald ablichten lassen. Dass die Bilder jetzt verbreitet werden, findet er „infam“
AUS WIEN RALF LEONHARD
Die Fotos zeigen einen jungen Mann auf einer Waldlichtung. Er trägt Tarnhose und andere Uniformstücke, um ihn herum ähnlich gekleidete Kameraden. Auf einem der Bilder lässt jemand einen Schlagstock auf einen anderen niedersausen, den er bei der Gurgel gepackt hat. Für Rechtsextremismus-Experten wie den Historiker Wolfgang Neugebauer sind das eindeutig Szenen einer Wehrsportübung, wie sie Anfang der 1990er-Jahre in Neonazi-Kreisen betrieben wurden.
Der junge Mann auf den Fotos ist Heinz Christian Strache, Bundesobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs und Vorsitzender der FPÖ-Parlamentsfraktion. Mit den brisanten Erinnerungsstücken aus seiner Jugendzeit konfrontiert, wiegelte Strache im ORF-Fernsehen zunächst ab. Es habe sich um harmlose Paintball-Spiele gehandelt: „Wir haben im Army-Shop billige Kleidung gekauft. Heute zieht man bei den zig Spielstätten auch Tarnanzüge oder Overalls an.“
Paintball ist ein 1981 in den USA erfundenes Kampfspiel, bei dem sich die Gegner mit Farbpatronen beschießen. Allerdings ist auf keinem der Fotos jemand mit Farbspritzern zu sehen. Und in der österreichischen Paintball-Szene sieht man keine Ähnlichkeit zwischen den Szenen auf den Fotos und ihren Spielen. Der Einsatz von Schlagstöcken sei auf keinen Fall erlaubt. Außerdem ist Gesichtsschutz Pflicht. Davon ist auf den Strache-Fotos nichts zu sehen.
Gegen harmlose Spiele spricht auch die Gesellschaft auf den Fotos. Mehrere der Personen, deren Gesichter auf den veröffentlichten Bildern unkenntlich gemacht wurden, sind eindeutig in der Neonazi-Szene verortet. Zumindest einer wurde später nach dem österreichischen NS-Verbotsgesetz verurteilt, nämlich Franz Radl, in dessen Adressbuch sich die Telefonnummer von Strache fand. Strache ging in seiner Darstellung der Dinge auf Distanz: „Wenn vielleicht die eine oder andere Person Jahre später auf die schiefe Bahn gekommen ist, damals waren es Personen, die unbescholten waren.“
Juristisch ist das richtig. Die Aufnahmen stammen vermutlich aus dem Jahr 1989 und wurden in der Umgebung von Langenlois im Weinviertel aufgenommen. Erst Jahre später, als die Medien auf Wehrübungen von Rechtsextremen in der Umgebung Wiens aufmerksam machten, schritten die Behörden ein.
Dass sich auch der bekannte Neonazi Andreas Thierry unter den Teilnehmern der martialischen Veranstaltungen finden soll, wurde in FPÖ-Kreisen zumindest nicht dementiert. Thierry nahm im Juli 1990 an einem Ausbildungslager der 1992 in der Bundesrepublik verbotenen Nationalistischen Front (NF) teil. Auch er wurde nach dem NS-Verbotsgesetz verurteilt.
Dass die fast 20 Jahre alten Fotos plötzlich an die Öffentlichkeit gelangten, ist einem Zwist innerhalb der FPÖ zu verdanken. Der Fraktionsvorsitzende Ewald Stadler, dem sie von einem nicht genannten Informanten zugespielt wurden, hatte sie an FPÖ-Volksanwalt Hilmar Kabas übergeben. Er wollte sich, so Stadler in einer Stellungnahme, nicht der Unterdrückung von brisantem Material schuldig machen.
Stadler ist der schärfste parteiinterne Rivale von Heinz Christian Strache und wurde von diesem in einem Handstreich als Direktor der Parteiakademie abgesetzt. Stadler, der seinen von einer Studentenmensur stammenden Schmiss auf der linken Backe mit Stolz trägt, ist ein bekennender Nationaler. Anders als der populistische Strache wird er zu den Ideologen der Partei gezählt und wurde schon unter Jörg Haider einmal aus der FPÖ ausgeschlossen. Strache verdankt seine Wahlerfolge vor allem der Ausländer- und Islamhetze, die im städtischen Proletariat immer wieder greift. Stadler bewegt sich lieber in elitär nationalen Zirkeln.
Die FPÖ ist nach der Abspaltung des Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) von Jörg Haider im April 2005 als Sieger aus dem Bruderkampf am rechten Rand hervorgegangen. Während das BZÖ bei den Nationalratswahlen im vergangenen Oktober den Einzug ins Parlament fast verfehlt hätte, wurde die FPÖ hinter den Grünen viertstärkste Partei. Als Mehrheitsbringer für die ÖVP war sie aber zu klein. Und eine Dreierkoalition mit dem abtrünnigen BZÖ, die Exkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) zumindest nicht ausschloss, kam für Strache nicht in Frage. Ob ihm die Fotoaffäre bei der eigenen Basis schaden wird, ist noch ungewiss.
Jedenfalls sind auch von Widersacher Ewald Stadler inzwischen Fotos aufgetaucht. Sie zeigen den Verfechter eines wehrhaften Christentums bei einer Kulthandlung im seltsamen Ornat des Mercedarier-Ordens.
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