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Die Linguistik des Autohandels

Eine Kritik der Kraftfahrzeughändler-Visitenkarte im Raum Limburg

„ishabeiterese …An’iren Auto vesmöstenferkaufen“

Im Jahr 1998 wurde dem Wahrheit-Redakteur Michael Ringel eine Visitenkarte zugespielt, die hinter dem Scheibenwischer eines Autos gesteckt hatte, das in Frankfurt-Sachsenhausen geparkt war. Der seltsame Inhalt der Karte aber lautete: „ishabeiterese..An’iren Auto vesmöstenferkaufen“.

Angesichts dieses leuchtenden Beispiels für die neuere babylonische Sprachverwirrung nahm ich als Wahrheit-Autor mir vor, mal wieder verschärft über die lebenspraktische Bedeutung von Fragen der Rechtschreibung, der Interpunktion, der Wortbildung, der Wortarten und Wortgrenzen, der Wort- und Satzgliedstellung und so weiter nachzudenken. Anders gesagt: Mir war klar, dass eine Linguistik des Autohandels her musste.

Ich schmiss die Karten, die geschäftstüchtige Autohändler beinahe täglich im Frankfurter Gallusviertel an meinem Wagen hinterlassen, also nicht mehr weg. Bald hatte ich eine ansehnliche Sammlung rotzbunter Dokumente des typografischen und sprachlichen Kleingewerbetreibens zusammen.

Ein Böller wie Ringels Fund war leider nicht darunter.

Scheinbar hatte die Leitkultur- und Pisadebatte mittlerweile sogar die Autoaufkäufer wachgerüttelt, und sie waren in Scharen in Volkshochschulkurse und Übersetzungsseminare gerannt. Trotzdem boten sich mir noch immer bemerkenswerte Schriftzeugnisse dar, auf die ein Blick in pragmalinguistisch differenzierter Hinsicht allemal lohnt.

Auffällig an der jüngsten Kfz-Idiomatik ist zunächst der ostentative Aufforderungscharakter der Ansprache. Der Linguist verweist hier auf die Äußerungsart der Exhortation, der Aufforderung. „Testen Sie uns einfach!“, brüllt mich Atlas Automobile im Namen von A. Afrasiabian, wohnhaft in Limburg, an. „Bar und Sofort zu jeder Zeit!“

Bar testen? Nun gut, die Wortartmarkierung („Sofort“) entbehrt einer gewissen Sicherheit bezüglich der Wortartbestimmung, aber soviel, das hebt die nachfolgende Deklaration (Aussage) hervor, ist immerhin klar: „Bei uns gibt es keine Reklamation!“ Was im näheren bedeuten dürfte: Sobald wir die Frage (Interrogation) „Wollen Sie Ihr Auto verkaufen?“ mit Ja beantwortet haben, sind wir erledigt. Dann gibt es kein Zurück mehr.

Wann unser Schicksal besiegelt sein wird, lässt das Unternehmen offen. „ ‚Jetzt oder auch später‘ “, gibt sich Atlas Automobile konziliant, doch bei einer solchen Form der Toleranz ist Vorsicht geboten, denn der adverbiale Ausdruck, der im gegenwärtigen Deutsch laut Dieter E. Zimmer einer allgemeinen „Deregulation“ unterliegt, steht in Anführungszeichen: „Jetzt oder auch später“. Was soll das heißen? Dass es gar nicht „so“, mithin rhetorisch gemeint ist und unser vertrautes Gefährt, ob wir wollen oder nicht, uns sofort und ohne Widerrede unterm Arsch weggerissen und nach Lettland deportiert wird?

Auch Rubin Autoexport aus Limburg schließt sich dieser offensichtlich verbreiteten deutschen Kaufmannsgesinnung an, mit der bekannten Schwäche in Groß- und Kleinschreibung („ ‚Jetzt oder auch Später‘ “), kaschiert die Heimtücke, die sich hinter dem fadenscheinig freundlichen Angebot verbirgt, jedoch durch den kostenlosen Abdruck der zwölf Tierkreiszeichen auf der Kartenrückseite. Dort, um den Trend zum allenthalben geforderten Wissensmehrwert zu unterstreichen, listen Atlas Automobile und A & F Automobile (Limburg-Eschhofen) die Geldbußen bei Geschwindigkeitsübertretungen inner- und außerorts auf, als ob das noch von Belang wäre, wenn die eigene Karre längst durch die russische Tundra tuckert.

Generell besticht die Textgattung der Autohändlervisitenkarte nicht bloß durch semantisch reichhaltige, rückseitige „nützliche Informationen“ (A & F Automobile) wie Kalorientabellen, Kalender für 2006 (Fadi Wehbe Auto Export, Limburg), wichtige Telefonnummern, Termine der Schulferien oder Raum für eigene Notizen (Kami Automobile, Limburg), sondern auch durch eine verlässliche Häufung von Lexemen aus dem Wortfeld „Mobilität“: „Motor- und Getriebeschäden“, „Unfallfahrzeuge“, „LKW’s“, „Kilometerleistung“, „Getriebeschaden egal“ und „Ich kaufe es gern – so, wie es da steht“. Da kann man im Grunde nicht mehr nein sagen.

Kamhaz Automobile, Limburg, steckt mir innerhalb einer Woche gleich drei in Plastik eingeschweißte Karten in unterschiedlichen prächtigen Farbkombinationen an die Scheibe der Fahrertür, Kami Automobile appelliert an mich, mir „Km-Stand unabhängig“ „den Händler-Rabatt bei Auto-Neukauf!!!“ zu sichern (nur – wie geht das?), Damon-Engel Automobile aus Elz bei Limburg hat einfach einen guten Namen, Auto Galaxy schmeichelt mir und „interessiert“ sich für mein „Fahrzeug“ („jetzt, in einem Monat, Jahr oder später“), und Automobil-Jammal, diesmal mit dem sonst zuverlässig fehlenden, aber diesmal falschen Bindestrich (Divis), bekennt: „Ihr Auto“ – „ich kaufe es gern“. Und ich rauche gern.

Wer heutzutage im Frankfurter Gallusviertel einen „Kübel“ (G. Polt) herumstehen hat, hat ihn praktisch minütlich verkauft, und zwar „ohne Ärger und Komplikationen“ (Taleb-Autohandel, Zollhaus/Hahnstätten bei Limburg) und nach dem sprachlich stets überzeugend gestalteten Motto: „Bei uns zählt noch, gekauft wie gesehen.“ (Expo-Car 2000, Limburg) Was ich trotzdem wissen möchte: Wo, in Gottes Namen, residiert die Firma „Weltautomobil“, die einzige, auf deren Karte nicht zu lesen ist, wohin man meine begehrenswerte Mühle verschleppen will? In Limburg vielleicht?

JÜRGEN ROTH

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