: „Die Hände hoch!“
Die Handball-WM ist zu Gast in Berlin. Für ein Spiel. Die Max-Schmeling-Halle ist ausverkauft. Aber der Rest der Stadt nimmt von dem sportlichen Großereignis kaum Notiz. Nur in der U-Bahn gibt es einige Hinweise. Dann zieht das Turnier weiter
von Andreas Rüttenauer
Der Fragesteller wirkte etwas genervt. „Ja, wie ist das denn nun“, fragte der Journalist den Trainer der deutschen Handballnationalmannschaft nach dem Eröffnungsspiel zur Handball-Weltmeisterschaft am Freitagabend in Berlin, „wie beurteilen Sie denn jetzt diesen Eintagesabstecher in den Osten?“ Heiner Brand, der Angesprochene, antwortete staatsmännisch. Es sei doch selbstverständlich, dass auch in der Hauptstadt ein wichtiges WM-Spiel ausgetragen werde. Der Journalist notierte pflichtschuldig die Antwort – genervt wirkte er immer noch.
„50 Euro haben die für die Karten hingelegt“, erzählt ein älterer Herr, der mit seiner Frau schon mehr als zwei Stunden vor Spielbeginn in der Max-Schmelig-Halle unterwegs war – auf der Suche nach einem guten Stehplatz. Im regulären Verkauf hätten die Tickets nur 10 Euro gekostet. Die Tochter der beiden hat die Karten bei Ebay ersteigert. „Wir haben uns schon immer für Handball interessiert“, erzählt die Frau. Aus Potsdam sind sie nach Prenzlauer Berg gefahren, um einmal ein „großes Spiel“ zu sehen. „Jetzt sind wir natürlich gespannt, wie das wird“, sagt der Mann. Er sagt es, als wäre er Juror und müsste über die Veranstaltung richten. Wie ein Fan spricht er nicht. Die kleine Deutschlandfahne, die er dabei hat, ist bis kurz vor dem Beginn der Auftaktpartie gegen Brasilien noch zusammengerollt.
„Hallo Berliiiin!“ Der Hallensprecher begrüßt die Zuschauer. Tausende schwarz-rot-goldene Fähnchen werden geschwenkt. 10.000 Zuschauer sind in der Halle – ausverkauft. Und dennoch wissen viele Berliner gar nicht, dass die Handball-WM in der Stadt ist. In der Max-Schmeling-Halle drehen sich grüne Werbetafeln. Auf ihnen wird die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin schon einmal angekündigt. Das nächste internationale Sportgroßereignis ist jetzt schon präsent. Die Handball-WM war es bis vor dem Anwurf des Eröffnungsspiels kaum. Kurz vor dem Spiel lief an den großen U-Bahnhöfen immerhin ein Hinweis in Leuchtschrift auf den Anzeigetafeln durch. Die Besucher der Handball-WM erfuhren dort, dass sie am U-Bahnhof Schönhauser Allee aussteigen sollten. „Da steht es doch“, sagte ein Frau in breitestem Schwäbisch und setzt sich mit ihrer Reisegruppe am Alexanderplatz in die U-Bahn. Die T-Shirts der zehn Schwaben weisen sie als Anhänger von Frisch Auf Göppingen aus, einer Handballhochburg im Süden der Republik. Für die WM haben sich die fünf Männer der Reisegruppe Fanschals für das Nationalteam zugelegt. „Wir wollen Stimmung machen“, sagte einer aus der Gruppe, „richtig Gas geben!“ So wie sie es bei jedem Heimspiel ihres Klubs in Göppingen machen. Spielt Frisch Auf, ist es richtig laut. „Die Hände hoch!“, fordert der Hallensprecher die Zuschauer auf, nachdem Bundespräsident Horst Köhler die Weltmeisterschaft für eröffnet erklärt hat. Es wird rhythmisch geklatscht. Gleich beginnt das Spiel. Die Deutschen tun sich zunächst schwer. Die Mannschaft von Bundestrainer Heiner Brand liegt lange zurück. Das Publikum bleibt merkwürdig verhalten. Wer je ein Handballspiel in der Kieler Ostseehalle, ein Bundesligaspiel des Meisters THW Kiel, besucht hat, dem muss es richtig ruhig vorkommen in der Halle.
Klaus Wowereit (SPD), der Regierende, fehlt vor Ort genauso wie Wolfgang Schäuble (CDU), der deutsche Sportminister. Immerhin haben sie Grußworte verfasst. Die Stippvisite des Spitzenhandballs in Berlin aber haben sie verpasst.
Nach der WM werden die Reinickendorfer Füchse wieder in der Max-Schmeling-Halle spielen, Zweitliga-Handball zeigen. An das Eröffnungsspiel vom Freitag werden dann nur noch wenige denken.
Die Weltmeisterschaft hat wenig Werbung gemacht für den Handballsport in Berlin. Und wer die Begegnung der Deutschen gegen Brasilien gesehen hat, wird auch nicht gerade mit Begeisterung von der Sportart sprechen. Es war ein laues Spiel. Die Deutschen haben doch noch gewonnen (27:22). Und der ältere Herr aus Potsdam dürfte seine Fahne geschwenkt haben, als die deutschen Spieler ihre Ehrenrunde liefen. Immerhin.
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