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Gegen die deutsche Herrschaft in der EU

EU-Ratspräsidentin Angela Merkel will bei ihrem heutigen Besuch in Prag für die Verfassung werben. Doch in Tschechien sind die antideutschen und antieuropäischen Töne mit dem Amtsantritt der neuen schwarz-grünen Regierung lauter geworden

AUS PRAG SASCHA MOSTYN

Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolanek hat seine Meinung zur EU-Verfassung schon längst gefasst. Die sei, so Topolanek, kurz, knapp und global verständlich „shit“. Ob er heute Nachmittag der deutschen Bundeskanzlerin bei ihrer Stippvisite in Prag ein freundliches „Scheiße“ entgegenhalten wird, sei dahingestellt. Denn seit der Konservative seine klare Meinung kundgetan hat, ist die EU-Verfassung für ihn zum Unthema geworden. Das wird selbst Angela Merkel kaum ändern.

„Die bilateralen Verhandlungen werden Fragen der europäischen Energiepolitik, sowie wirtschaftliche, soziale und ökologische Themen betreffen“, sagte Regierungssprecher Martin Schmarcz im Vorfeld des Besuchs. Kein Wort also von der EU-Verfassung oder einem „Dokument, das das künftige Fungieren der Europäischen Union regeln soll“. So nennt das künftige Grundgesetz der EU die Prager Burg, Sitz des tschechischen Präsidenten Václav Klaus. Der hat die Kanzlerin für heute Abend zum Essen geladen. Da kann man ihr nur einen robusten Magen wünschen. Denn für Klaus sind die Bemühungen der „Europäistin“ (Originalton Klaus) Merkel, die EU-Verfassung wiederzubeleben, nichts weiter als ein Versuch um die deutsche Vorherrschaft in Europa. Deshalb hat Klaus in seiner Neujahrsansprache das Volk auch eindringlich vor einer Wiederauferstehung der Verfassung gewarnt.

Im Gegensatz zur restlichen tschechischen Führungsriege macht Klaus sich wenigstens Gedanken um die Zukunft Europas. Er will eine Reform der bestehenden Union, in der „eine kleine organisierte, sehr stark motivierte Gruppe von Europäisten über hunderte Millionen von Menschen siegt“, so Klaus. Als Alternative zur EU schwebt ihm eine OES vor, eine Organisation Europäischer Staaten, in der es, natürlich auf rein intergouvernmentaler Ebene, zu einer „freundlichen, gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit europäischer Staaten“ kommt.

Die Regierung, eine Koalition aus konservativ-liberaler Bürgerpartei (ODS), Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen, schließt sich Klaus an. „Wir haben keine Meinungsverschiedenheiten, was die EU betrifft“, erklärte Topolanek nach einem Treffen zwischen ihm, seinem Vize für EU-Angelegenheiten, Alexander Vondra, Außenminister Karl Schwarzenberg und Klaus am Montag. Ein gutes Argument in Abwesenheit einer eigenen Haltung: Die Regierungserklärung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Zukunft der EU in keiner Weise erwähnt. Und das, obwohl Tschechien in zwei Jahren die Ratspräsidentschaft in der Union übernehmen soll.

Leicht wird es Angela Merkel bei ihrem heutigen Besuch in Prag nicht haben. Nicht nur die EU in ihrer jetzigen Form wird von der tschechischen Regierung abgelehnt. Mehr noch: Deutschland sei kein Partner für uns, erklärte Vizepremier Alexander Vondra vergangene Woche im tschechischen Abgeordnetenhaus. Eher streckt die Regierung die Hand aus über den großen Teich. Davon zeugt nicht nur die Bereitschaft, mit der Stationierung eines Radarsystems in Tschechien an den US-amerikanischen Star-Wars-Plänen teilzuhaben, sondern auch die Ernennung eines so kritiklosen Anhängers Washingtons wie Alexander Vondra zum Vizeregierungschef. Mit dem Auftrag für „europäische Angelegenheiten“.

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