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Die Stadtforschung kehrt zurück nach Berlin

Mit der Tagung „Banlieue Europa“ startet das „Georg-Simmel-Zentrum“. Es bündelt Metropolenforschung an der HU

Schon der Name ist Programm. Georg Simmel. Der 1918 verstorbene Sozialwissenschaftler ist nicht nur der Begründer der modernen Stadtsoziologie. „Simmel hatte auch ein positives Bild von den Metropolen“, sagt Harald Mieg. „Statt sie als Moloch zu sehen, waren sie für ihn vor allem der Ort für die Herausbildung einer modernen Gesellschaft.“

Harald Mieg, Professor der Geografie an der Humboldt-Universität, wird sich ab heute deshalb verstärkt mit den Metropolen beschäftigen. Gleiches tun auch seine Kollegen aus der Soziologie, der Geografie, der Ethnologie und der Literaturwissenschaft. Denn das ist das Credo des Georg-Simmel-Zentrums für Metropolenforschung, das heute seine Arbeit mit der Tagung „Banlieue Europa?“ aufnimmt – die Forschung muss genauso vielschichtig sein wie ihr Gegenstand, die großen Städte.

Die nämlich haben sich längst von den „Integrationsmaschinen“, als die sie auch Simmel gesehen hat, zu Orten zunehmender Ungleichheit entwickelt. Auch diesem Phänomen trägt das neue Zentrum in der Jägerstraße 10/11 Rechnung. Einer der Forschungsschwerpunkte wird die Migration sein.

Neben dem inhaltlichen gibt es aber auch noch einen finanziellen Hintergrund. Nur die Bündelung von Ressourcen schafft heutzutage jene Cluster, mit denen eine Universität auch international punkten kann. Dass diese Bündelung an der Humboldt-Uni die Metropolenforschung stärkt, ist allerdings nicht verwunderlich. Namentlich die Stadtsoziologie oder die Europäische Ethnologie haben sich in der Vergangenheit Meriten erworben. Es bedurfte allerdings erst des Anstoßes des damaligen HU-Präsidenten Jürgen Mlynek, dem Selbstverständlichen auch die Tat folgen zu lassen.

Zu guter Letzt bedeutet die Gründung des Zentrums auch eine räumliche Akzentverschiebung. „Es ist in den letzten Jahren viel zu so genannten Megacities und Globals Cities geforscht worden“, sagt Harald Mieg. „Die Metropolen vor unserer Haustür haben wir dagegen etwas aus den Augen verloren.“ Das soll sich nun ändern. Paris, London und Amsterdam sind wieder näher gerückt. Lagos und Los Angeles dagegen werden an Aufmerksamkeit verlieren.

Vor allem aber kehrt die Metropolenforschung wieder an ihren Ausgangspunkt zurück. Schließlich war der Forschungsgegenstand Simmels, auf den auch die berühmte Chicago School der US-Stadtforschung zurückgeht, keine andere Stadt als – Berlin. UWE RADA

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