: Auftrag: Meinung drehen
Zwar wächst die Zahl gentechnikfreier Regionen in Deutschland. Aber auch die Befürworter der Gentechnik verstärken ihre professionelle Lobby-Arbeit
VON HANNA GERSMANN UND BEATE WILLMS
Weil sich die Novelle des Gentechnik-Gesetzes verzögert, werden genmanipulierte Pflanzen in Deutschland noch nicht großflächig angebaut. So wächst bisher vor allem eins – der Protest. In den letzten drei Jahren haben sich 27.000 der 360.000 Landwirte in Deutschland in gentechnikfreien Regionen zusammengeschlossen. Mehr als die Hälfte kommen aus Bayern, der Heimat von Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU).
Diese skeptischen Bauern seien allerdings „einer Belastungs- und Bewährungsprobe ausgesetzt“, sagt Guido Nischwitz vom Institut Arbeit und Wirtschaft in Bremen. Denn auch die Gentechnikbefürworter haben mächtig aufgerüstet – und machen derzeit verstärkt Druck.
Die Akteure finden sich dabei etwa in den Landesregierungen, die sich von Biotechnologien Wachstum und Arbeitsplätze versprechen. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Hessen oder Bayern dürften sich die Referatsleiter in den betroffenen Ministerien oder die Leiter von Biosphärenreservaten nicht an Initiativen für gentechnikfreie Regionen beteiligen. „Der Druck ist oft sehr subtil“, sagt Nischwitz. Kritische Mitarbeiter würden einfach nicht mehr öffentlich als Ansprechpartner genannt, zum Vorgesetzten zitiert oder auch abgemahnt. Ähnliches gelte auch innerhalb der landwirtschaftlichen Verbände, die eng mit der Agro- und der Chemieindustrie verquickt sind.
„Die Gentechnikbefürworter sind inzwischen sehr professionell aufgestellt“, sagt Nischwitz. Kommunikationsberater sollen die öffentliche Meinung umdrehen. Dabei träten neben den bekannten Agenturen immer öfter Anwaltskanzleien auf, sagt Friedhelm Stodieck, Redakteur des Kritischen Agrarberichts. Das Haus Freshfields Bruckhaus Deringer etwa präsentiere sich offensiv als Vorreiter in der grünen Gentechnik. Freshfields vertritt seit Jahren Industrie- und Biotechnologieverbände in strittigen Rechtsfragen wie dem Nebeneinander von Gentechnik und Biolandwirtschaft, der Erteilung von Vertriebsgenehmigungen oder der Haftung für gentechnische Organismen. Außerdem berät sie den Saatguthersteller KWS. Für das Land Sachsen-Anhalt führt sie eine Normenkontrollklage um die Novellierung des Gentechnikgesetzes.
Die Berater suchen aber auch zunehmend die öffentliche Bühne und lancieren Expertenstatements in den Medien. Besonders beliebt sind Internetseiten, die sich direkt an Politiker und ihre Mitarbeiter richten. Freshfields beispielsweise ist einer der Kooperationspartner des Portals Polixea (politikerscreen.de). Dieser „Informationsdienst für Politik“ erreicht nicht nur die Zielgruppe, sondern kommt über Medienpartner wie den Focus, das ZDF oder den Tagesspiegel auch an die breite Öffentlichkeit.
Betreiben sie damit also Lobbyarbeit? Peter Alexewicz, Pressesprecher von Freshfields Bruckhaus Deringer, weist das von sich: „Wir sind eine Anwaltskanzlei. Wir stellen rechtliche Vorschriften dar. Klassische Lobbyarbeit leisten wir nicht.“
Ulrich Müller von LobbyControl beobachtet schon länger neue Akteure im Lobbygeschäft. Bei Anwaltskanzleien sei es allerdings schwer nachzuweisen, ob sie tatsächlich Politik für die Gentechnikunternehmen machten. Sie dürften durchaus ihre Rechtsauffassung verbreiten oder Gesetzentwürfe formulieren. Lobbying sei das erst, wenn es Teil der Strategieplanung für ihre Kunden ist. „Bei Freshfields kann ich das nicht beurteilen.“
Abseits dieser Frage haben die Gentechnikbefürworter aber schon ein neues Einfallstor gefunden, um die genkritische öffentliche Meinung doch noch zu kippen: Die Diskussion um die Potenziale der Agro-Gentechnik hat sich deutlich verschoben, seit nachwachsende Rohstoffe als Energiepotenzial entdeckt worden sind. So erklärte der Vorstandssprecher des Saatgutherstellers KWS in dieser Woche, die Chancen der „Pflanzenprogrammierung“ lägen darin, den Bauern „angesichts des Klimawandels“ stabile Erträge zu sichern. Während weiterhin breite Mehrheiten die Gentechnik generell ablehnen, sind nach einer aktuellen Allensbach-Studie 67 Prozent der Deutschen dafür, wenn sie der Gewinnung von Bioenergie dient. „Es ist klar, dass sich der Verbraucher hier weit weniger aufregt als bei Mais oder Kartoffeln“, sagt Nischwitz. „Schließlich muss er die Energiepflanzen ja nicht essen.“
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