: Zensur gegen rechts trifft oft die Falschen
Durchgestrichene Hakenkreuze oder Antikriegs-T-Shirts können in Deutschland strafbar sein
FREIBURG taz ■ Während die Bundesregierung versucht, hiesige Zensurvorschriften EU-weit zu verankern, ist die Anwendung solcher Paragrafen in Deutschland aus dem Ruder gelaufen. Vorschriften, die sich ersichtlich gegen Rechtsradikale und Faschisten richten, werden immer öfter streng nach dem Wortlaut ausgelegt und auch gegen Antifaschisten eingesetzt.
Am bekanntesten ist der Fall eines schwäbischen Versandhändlers aus der Punkszene, der T-Shirts und andere Gegenstände mit durchgestrichenen oder zerschmetterten Hakenkreuzen verkaufte. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn im letzten Herbst zu 3.600 Euro Geldstrafe wegen der „Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole“. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, das Hakenkreuz solle in jeder Form aus dem öffentlichen Leben verbannt werden – auch in der Antifa-Version. Inzwischen liegt der Fall in der Revision beim Bundesgerichtshof (BGH), der in diesem Jahr darüber entscheiden wird. Sollte der BGH das Urteil nicht aufheben, will Justizministerin Brigitte Zypries eine Klarstellung ins Strafgesetzbuch einfügen.
Auch der Liedermacher Hans Söllner bekam jüngst die Ambivalenz der Zensurvorschriften zu spüren. Bei einem Benifiz-Konzert für die Opfer des Halleneinsturzes in Bad Reichenhall trat er mit einem T-Shirt auf, das gegen den US-Angriffskrieg im Irak protestierte. Darauf wurden George Bush und Tony Blair mit Adolf Hitler verglichen und gleichgestellt. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erlaubte daraufhin ein Ermittlungsrichter eine Hausdurchsuchung bei dem rebellischen Sänger. Im letzten August stellte allerdings das Landgericht Traunstein die Unzulässigkeit der Durchsuchung fest. Söllners T-Shirt sei noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Weniger Glück hatte Antifa-Aktivist David Goldner. Er verteilte Flugblätter für eine Lesung des Autoren Stephan Grigat. Auf den Flugblättern waren Angehörige der Hisbollah zu sehen, die ihren Arm zum Führergruß erheben. Kritisiert wurden antisemitische Gemeinsamkeiten von Islamisten und Faschisten. Dennoch wurde Goldner wegen „Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen“ zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt. CHRISTIAN RATH
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