: Der Klagen-Sammler
Baden-Württembergs Wissenschaftsminister bestellt Klageschriften gegen Studiengebühren – Namen inklusive
STUTTGART taz ■ „Einschüchterung“ oder „Kostenersparnis“? An der neuesten Aktion des baden-württembergischen Wissenschaftsministeriums scheiden sich die Geister. Stuttgart hat bei seinen Hochschulen Kopien der knapp 2.500 Klageschriften gegen Studiengebühren bestellt, um die Verteidigung in den anstehenden Prozessen zentral zu koordinieren.
Der Stuttgarter Studentensprecher Franz Bozsak sieht darin einen „unrechtmäßigen Einschüchterungsversuch“: Das Ministerium wolle Druck auf die Kläger ausüben, ihre Klagen zurückzuziehen. „Vollkommen absurd“ nennt diese Vorwürfe der Ministeriumssprecher Jochen Laun: „Warum sollen wir es jemand übelnehmen, gegen ein Gesetz zu klagen?“
An den vier Verwaltungsgerichten des Landes türmen sich drei Typen von Klagen. Zum einen eine Handvoll professionell formulierter Musterklagen, dann individuell formulierte Klagen gegen Ausnahmeregelungen. Die große Masse machen aber jene aus, die gegen die Gebühren klagen, deren Verfahren jedoch ruhen, bis die Musterprozesse gelaufen sind.
Dass das Wissenschaftsministerium bei den Unis eine Kopie aller Klageschriften bestellt, findet Freiburgs Studentensprecher Hermann Schmeh übertrieben: „Die Klageschriften der Musterprozesse zu sammeln ist sinnvoll, aber dass man auch die Daten der ruhenden Verfahren abfragt, ist unverständlich.“ Womöglich, so Schmeh, „will man prophylaktisch ein paar Daten sammeln, wen man in den Staatsdienst übernimmt und wen nicht.“
Ähnlicher Ansicht ist Richard Marbach. „Gerade an der Pädagogischen Hochschule könnten einige Angst haben, nicht in den Lehrdienst übernommen zu werden, und ihre Klage zurückziehen.“ Für den Karlsruher Studentensprecher hat die Aktion „ein Geschmäckle, und zwar ein ganz starkes.“ Stuttgarts Studierende kündigten gestern mit Unterstützung der Landes-Grünen gar an, den Vorgang datenschutzrechtlich prüfen zu lassen.
Ministeriumssprecher Laun beteuert, man wolle wegen der Vielfalt der Klagen „Argumente sammeln. Wenn wir zentral die Verteidigung übernehmen, müssen sich nicht 30 Anwälte den Kopf darüber zerbrechen.“ Eine Namensliste werde das Ministerium nicht erstellen, nur eine Übersicht der Aktenzeichen. Dass die auch den Namen des Klägers enthalten, stört allerdings nicht. „Wir brauchen diese Daten“, sagt Sprecher Laun.
JAN GEORG PLAVEC
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