piwik no script img

Mai-Krawalle im Bezirksamt

Zwischen Grünen und SPD in Kreuzberg ist ein Streit um die Organisation des „Myfests“ am 1. Mai ausgebrochen. SPD-Mitglieder werfen Bürgermeister Arroganz vor. Jetzt steht das Fest auf der Kippe

von Plutonia Plarre

Schon vor dem 1. Mai schlagen die Wogen in Kreuzberg hoch. Aber nicht Autonome und die Polizei prügeln aufeinander ein, sondern SPD und Grüne. Das könnte dazu führen, dass auch die Krawalle am 1. Mai wieder aufflammen. Denn der Streit dreht sich unter anderem ums „Myfest“ – und mit dem wurden in der Vergangenheit die Randale auf ein Minimum reduziert. Jetzt steht das Fest auf der Kippe.

Die Idee für die riesige Kiezfete stammt von der früheren Hausbesetzerin Silke Fischer. Die 47-Jährige ist Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzende und Gebietskoordinatorin für das Quartiersmanagement Mariannenplatz, Kottbusser Tor und Wassertorplatz. In den vier Jahren, seit es das Myfest gibt, war Fischer für die Koordination des Kulturprogramms zuständig. Rund 20.000 Gäste haben dabei letztes Jahr friedlich gefeiert.

Seit die Grünen bei den Wahlen 2006 mit 33 Prozent in Friedrichshain-Kreuzberg aber stärkste Partei geworden sind, ticken die Uhren im Bezirksamt offenbar anders. Zum Myfest-Vorbereitungstreffen am Mittwoch unter Leitung von Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) war Fischer nicht eingeladen. Die Folge: Die Kreuzberger Basis, vertreten durch ein knappes Dutzend Männer und Frauen, fühlte sich ausgebootet – und lud sich kurzerhand selbst zu dem Treffen ein. „Schulz hat sich mit Kommunikationsproblemen herauszureden versucht“, erzählt die Bühnenorganisatorin Mo-Skito, die bei dem Go-in dabei war. Dabei wisse jeder im Kiez um Fischers Funktion beim Myfest. „Wenn wir zu jemandem Vertrauen haben, dann zu Silke“, so Mo-Skito.

Sie und ihre Mitstreiter befürchten, dass das Bezirksamt die Organisation des Fests an sich reißt. Bislang hatten Anwohner die Straßenfete auf die Beine gestellt. Das Bezirksamt hatte sie dabei lediglich unterstützt. Sollte sich dieses Verhältnis jetzt ändern, könnte die Stimmung im Kiez wieder kippen, befürchtet die Kreuzberger Initiative um Silke Fischer. Am Donnerstag laden sie deshalb zu einem Treffen, um das Fest wie in den vergangenen Jahren gemeinsam zu organisieren. Denn der kommende 1. Mai ist besonders brisant. 1987 fand in Kreuzberg die erste und heftigste aller 1.-Mai-Straßenschlachten statt.

Schulz sagte der taz, er wolle keine neuen Strukturen für das Myfest einführen. Er erwäge aber, die Koordination, die Fischer bislang alleine innehatte, zu splitten, indem eine weitere Person einbezogen werde. Seine Begründung: Zwei von fünf „Myfest-Teilraumverantwortlichen“ hätten wegen Problemen mit Fischer in diesem Jahr nicht mehr weitermachen wollen. Nur mit Mühe, so Schulz, hätten sie zum Bleiben überredet werden können. Mitte März will der Bürgermeister im Kiez ein Treffen für Anwohner und ein gesondertes Treffen für Migrantenvertreter ausrichten, um über das Myfest zu reden.

Es gibt noch eine andere Lesart des Konflikts. Fischer hat der Initiative mitgeteilt, die grüne Jugendstadträtin Monika Herrmann habe zu ihr gesagt: Sie sei in Kreuzberg 36 „verbrannt“. Fischer fühlt sich deswegen kaltgestellt. Herrmann allerdings dementierte diese Worte gestern gegenüber der taz.

Eine dritte Lesart ist, dass den Grünen ihre Macht im Bezirksamt zu Kopf gestiegen ist. Volker Härtig, im Kreuzberger SPD-Kreisvorstand für Stadtentwicklung zuständig, wirft den Grünen eine „arrogante Verwaltungsführung“ an Bürgerinteressen vorbei vor. „Die Grünen spielen ihre absolute Mehrheit im Bezirksamt aus“, meint auch der frühere Kreuzberger SPD-Kreisvorsitzende Stefan Zackenfels. Als Beispiel verweist er auf den „Fichtebunker“, der trotz des Widerstands vieler Anwohner zu Luxusappartments umgebaut werden soll. Die Grünen lassen das nicht auf sich sitzen: „Die SPD macht uns nur Stress, weil sie die Wahlen verloren hat“, sagt Jugendstadträtin Herrmann.

Bürgermeister Schulz versucht jetzt offenbar, den Konflikt runterzukochen. Auch er will am Donnerstag zum Treffen der Kiez-Initiative kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen