IN DER DEBATTE UM DIE KILLERSPIELE SCHIESST BAYERN AM THEMA VORBEI: Ein Recht auf Schund
Kurz war die Debatte um die so genannten Killerspiele abgeflaut. Jetzt ist wieder Aktionismus angesagt. Allen voran galoppieren, wieder einmal, die Bayern. Ein schärferes Jugendschutzgesetz, wie es Familienministerin Ursula von der Leyen vorgeschlagen hat, ist ihnen zu lasch. Verbot, Verbot, Verbot, verlangen sie. Und schießen dabei, wieder einmal, völlig am Ziel vorbei.
Sicher, der Amokläufer von Emsdetten hatte sein Attentat vorher am Computer durchgespielt. Doch das Spiel, mit dem er das tat, „Counterstrike“, ist deshalb noch lange nicht schuld an der Tat. Denn einen wissenschaftlichen Nachweis, dass Gewaltspiele auch unmittelbar zu Gewalt führen, gibt es nach wie vor nicht. Hunderttausende von Jugendlichen spielen in Deutschland „Counterstrike“ und andere Ego-Shooter, also Ballerspiele aus der Ich-Perspektive. Wenn alle dieser Spieler tatsächlich zur Waffe greifen würden, dann gäbe es jeden Tag mehrere Emsdettens.
Ein Komplettverbot aller Gewaltspiele, auf das Bayern weiter besteht, macht es sich einfach zu leicht. Und es zeigt, dass manche Politiker sich gar nicht differenziert mit dem komplexen Thema Gewalt und Medien befassen wollen, bei dem es keine einfachen Lösungen geben kann. Für die Hardliner aus dem südlichen Freistaat sind Killerspiele einfach nur „Schund“, wie es ein Sprecher des bayerischen Sozialministeriums formulierte. Also gehören sie verboten. Fertig, aus.
Dazu passt weiter, dass die Bayern, wenn sie schon einmal dabei sind, auch gleich Horrorfilme und Hardcore-Pornos aus den Videotheken verbannen wollen. Denn auch das ist in ihren Augen nur „Schund“, der selbst in den Regalen der Erwachsenenabteilung nichts mehr zu suchen hat.
Hier offenbart sich aber ein zweifelhaftes Verständnis von dem, was Kunst und Medien dürfen. Denn selbst wenn bestimmte Computerspiele, Horrorfilme oder Pornos in den Augen vieler Politiker und Bürger tatsächlich „Schund“ sein sollten, kann man dem Rest der Bevölkerung noch lange nicht das Recht absprechen, selber zu entscheiden, was für sie Schund ist. WOLF SCHMIDT
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