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Leben unter dem Kriegsrecht in Guinea

Volle Krankenhäuser, leere Straßen: Augenzeugen in Guineas Hauptstadt Conakry berichten vom Terror der Sicherheitskräfte, die seit einer Woche das von Präsident Conté verfügte Kriegsrecht durchsetzen. Afrikanischer Vermittlungsversuch gescheitert

VON DOMINIC JOHNSON

„Die Schwester meines Mannes stand am Mittwoch im Kochhaus, als sie von einer Kugel getroffen wurde. Die Kugel konnte bisher nicht herausoperiert werden. Der Freund meines Sohnes hat einfach nur die Straße überquert. Dabei wurde er angeschossen. Der Bruder meines Mannes arbeitet als Arzt und berichtete mir, dass die Ärzte verzweifeln, weil sie keine Geräte haben, um die Kugeln in den Körpern zu orten. Wenn sie sie denn finden, ist ein operativer Eingriff schwer, weil Operationsbestecke und Verbandsmaterial fehlen.“

Dieser persönliche Bericht über die Lage in Guineas Hauptstadt Conakry, der die taz erreichte, ist eines von vielen Zeugnissen über die Situation in dem westafrikanischen Land seit Verhängung des Kriegsrechts durch Präsident Lansana Conté vor einer Woche. Mit der drakonischen Maßnahme begegnete der Staatschef einer Welle von Massenprotesten. Zunächst durften die Menschen danach nur vier Stunden am Tag auf die Straße; inzwischen sind es sechs. Aber den Sicherheitskräften, die das Kriegsrecht durchsetzen, werfen Menschenrechtler Plünderung, Vergewaltigung, Verschleppung und Mord vor.

„In den letzten Tagen gingen Sicherheitskräfte, insbesondere die Präsidialgarde, von Haus zu Haus; sie schlugen Türen ein und stahlen alles von Wert. Der Terror der Sicherheitskräfte hat die meisten Familien Conakrys dazu gebracht, sich in ihren Häusern einzuschließen“, berichtete die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Donnerstag und sprach von mindestens 22 Morden. Seit Beginn der Massenproteste gegen Conté im Januar sind nach unabhängigen Schätzungen mindestens 120 Menschen getötet worden.

Soldaten in Conakry, so ein Augenzeugenbericht der UN-Nachrichtenagentur IRIN, eröffnen jeden Abend das Feuer, um den Beginn der Ausgangssperre zu verkünden. Dabei durchschlagen oftmals Kugeln die Holzhütten der Slums und treffen Menschen. Wer auf der Straße ist, dem wird oft sämtliche Habe gestohlen. „Mein Boss sagte mir, ich soll auf jeden schießen, der provoziert, also wenn mich jemand provoziert, erschieße ich ihn“, zitiert IRIN einen Soldaten vor Conakrys Donka-Krankenhaus. Dort teilen sich oft mehrere Schussverwundete ein Bett und können nicht versorgt werden. Die Internetseite „Guinéenews“ berichtet, in Conakrys Leichenhäusern würden sich Tote stapeln „wie Brote im Backofen“.

Manche Berichte aus Guinea legen nahe, dass die Armeeführung ihre Soldaten nicht mehr vollständig unter Kontrolle habe und aus Angst vor einer Militärrevolte beide Augen bei den Übergriffen zudrücke. Am Donnerstag kündigte Guineas Generalstabschef Kerfalla Camara aber neue Razzien in Conakry an und sagte, das Militär werde „weiterhin den Ausnahmezustand in seiner ganzen Härte durchsetzen“. Guineas Oppositionelle fordern nun internationalen Schutz für die Bevölkerung.

Zahlreiche internationale Stellen haben die Gewalt kritisiert. Die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) hat Nigerias Exdiktator Ibrahim Babangida, einen Freund von Guineas Präsident Conté, zu Verhandlungen nach Conakry geschickt. Aber Guineas Gewerkschaften, die die Proteste anführen, lehnen Gespräche ab, solange das Kriegsrecht ihnen verbietet, sich untereinander zu treffen.

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