: Einheitlicher Mindestlohn wird zweite Option
Erste Option bleiben aber branchenspezifische Vereinbarungen, so Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD)
BERLIN taz ■ Kurz sah es gestern so aus, als fänden Union und SPD im Streit um Mindest- und Kombilöhne endlich zueinander. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) wolle im März einen Kompromiss vorstellen, hatte der Kölner Stadtanzeiger gemeldet. Einen Kombilohn, gekoppelt an einen flächendeckenden Mindestlohn von 5 Euro pro Stunde.
Der Vorschlag hätte Charme, auch für den Arbeitsminister. Er könnte damit auf beiden Seiten Punkte sammeln. Links, weil die Vorbehalte gegen Kombilöhne durch die Einführung eines Mindestlohns entkräftet würden. Vor allem SPD-Linke befürchten, dass Kombilöhne zu Mitnahmeeffekten führen. Unternehmen stellen zwar mehr Leute ein, allerdings für immer weniger Geld – der Staat schießt ja einen Teil des Lohnes dazu. Und rechts, weil Müntefering dem Koalitionspartner seinen Vorschlag als Zugeständnis verkaufen könnte. Die Union plädiert für Kombilöhne, wenn auch begrenzt auf Jugendliche, ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose. Müntefering selbst möchte bezuschusste Löhne nur für Menschen über 50.
Dann relativierte eine Sprecherin von Müntefering: Der Minister strebe als erste Option keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn an, sondern branchenspezifische Mindestlöhne auf der Basis von Tarifvereinbarungen. Flächendeckende Mindestlöhne würden jedoch nicht „generell ausgeschlossen“ und könnten eine zweite Option sein.
Offiziell also kein neuer Stand. Am fünften März will der Minister im Koalitionsausschuss Branchen vorstellen, in denen ein Mindestlohn notwendig ist. Bisher gibt es dies im Baugewerbe. Für Gebäudereiniger soll das Gesetz im März verabschiedet werden. Ende März will die „Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt“ unter Leitung von Müntefering ihre Ergebnisse zur Reform des Niedriglohnsektors vorstellen.
Zuletzt machte ein Vorschlag des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger Schlagzeilen: Wer wenig verdient, soll seine Sozialausgaben über Steuergutscheine erstattet bekommen. Diese „Negativsteuer“ soll nach Einkommen gestaffelt werden. Auch hierbei gebe es noch keine „politische Festlegung“, betonte man gestern im Arbeitsministerium.
Der arbeitspolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner, sagte der taz, er würde „für Bofinger inklusive Mindestlohn“ plädieren. Auch halte er es für „möglich“, dass Müntefering einen allgemein gültigen Mindestlohn vorschlägt.
Die CDU-Fraktion stemmt sich nach wie vor gegen branchenübergreifende gesetzliche Mindestlöhne. Der Vorschlag von Professor Bofinger, kombiniert mit einem Mindestlohn, sei zwar „grundsätzlich prüfenswert“, so Gerald Weiß,Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales zur taz. Die Ausweitung des Entsendegesetzes auf weitere Branchen und damit die Festlegung eines Mindestlohns auch für Handwerker, Wachleute und Reinigungskräfte aus Osteuropa sei jedoch „sinnvoller“. Was die Höhe eines möglichen Mindestlohns betrifft, hält Weiß 5 Euro für realistisch: Wer Hartz IV und Wohngeld beziehe, komme auch etwa auf diesen Betrag.
KATHARINA KOUFEN
meinung und diskussion seite 11
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