: Blair kündigt Teilabzug aus dem Irak an
Großbritannien will seine Truppen im Zweistromland 2008 nach Hause holen. Die ersten 2.100 Soldaten sollen noch dieses Jahr zurückkehren. Der Zeitplan hängt jedoch von der Sicherheitslage ab. Die Debatte ist weniger heftig als in den USA
VON RALF SOTSCHECK
Die britische Regierung will ihre Truppen im nächsten Jahr aus dem Irak abziehen. Das gab Premierminister Tony Blair gestern Nachmittag bekannt. Ein Anfang wird im April gemacht, wenn die 1.600 Soldaten, die turnusmäßig nach Hause zurückkehren, nicht ersetzt werden. Ende des Sommers sollen weitere 500 Soldaten den Irak verlassen. Darauf hat sich Blair mit Verteidigungsminister Des Browne geeinigt. Der genaue Zeitplan hängt jedoch von der Sicherheitslage ab.
„Seit Monaten sagen wir, dass wir unsere Präsenz zurückschrauben werden, sobald die Iraker für ihre eigene Sicherheit in Basra sorgen können“, sagte Blair. „Wir müssen aber sicherstellen, dass wir genügend Truppen in Reserve haben, um die Iraker zu unterstützen, falls ein Problem auftauchen sollte.“
Insgesamt sind 7.100 britische Soldaten vor allem im schiitisch dominierten Süden des Landes stationiert. Sie sollen nach und nach in einer Kaserne am Stadtrand von Basra zusammengezogen werden und nur noch zur Unterstützung der irakischen Truppen eingesetzt werden, statt sie wie bisher zu befehligen. Die weitere Präsenz britischer Soldaten in Basra sei nicht nur unnötig, sondern sogar provokativ, finden die britischen Kommandanten in Basra. Als Zeichen für die Fortschritt in der Region hat die britische Armee vorgestern die Kontrolle über die 10. irakische Division in Basra an die irakische Militärkommandantur in Bagdad übergeben.
Die irakischen Sicherheitskräfte hatten offenbar auch großen Anteil an Erfolg der „Operation Sindbad“, bei der Kriminelle und Mitglieder schiitischer Milizen aus der Polizei in Basra entfernt wurden. Das war eine der Voraussetzungen für den geplanten Truppenabzug, und Blair gab am Sonntag den erfolgreichen Abschluss der Operation bekannt.
Britische Soldaten werden jedoch weiterhin in der Wüstenregion in der Provinz Maysan nördlich von Basra entlang der Grenze zum Iran patrouillieren. Das hat die US-Regierung verlangt, um den Schmuggel von Waffen aus dem Iran zu unterbinden. Im Zuge der „Operation Troja“ hat die britische Armee vorige Woche Kontrollpunkte an der Grenze zum Iran eingerichtet.
Blair hat US-Präsident George W. Bush am Dienstag über die britischen Pläne informiert. Bush wertet den Truppenabzug als Erfolg. Er zeige, was auch für die USA möglich sei, wenn man die Iraker beim Kampf gegen die Gewalt in Bagdad unterstütze, sagte er. Zunächst wollen die USA jedoch weitere 21.500 Soldaten entsenden.
Die Debatte um den Irakkrieg wird in Großbritannien längst nicht mehr mit der gleichen Vehemenz wie in den USA geführt – oder wie in Großbritannien noch vor drei, vier Jahren. Damals demonstrierten eine Million Menschen in London, mehrere Minister traten zurück. Inzwischen haben auch die Befürworter des Irakkrieges eingesehen, dass die militärische Aktion gründlich schiefgegangen ist. Die Diskussionen konzentrieren sich deshalb darauf, wie man aus dem Schlamassel möglichst glimpflich herauskommt.
Grund für die im Vergleich zu den USA abgeebbten Debatten ist, dass die Zahl der britischen Opfer mit 132 weitaus niedriger liegt. Außerdem können die Oppositionsparteien kein Kapital aus dem Irakkrieg schlagen: Die Tories haben damals dafür gestimmt, wenn auch „widerstrebend“, wie Tory-Chef David Cameron gerne betont. Und die Liberalen Demokraten sind einfach zu schwach, um das Thema ganz oben auf der Tagesordnung zu halten. Die Labour-Abgeordneten hoffen, dass die Diskussionen über die Beteiligung Großbritanniens am Irakkrieg mit Blairs Rücktritt in diesem Jahr endgültig aufhören werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen