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Das Bündnis soll gepanzert sein

Gerade gestürzt, will Romano Prodi auf jeden Fall weiterregieren. Mit einem dekretierten 12-Punkte-Programm und der Drohung, bei einem Scheitern käme Berlusconi zurück, will er die fragile Koalition im Parlament künftig zusammenhalten

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Romano Prodi will weitermachen. Dies ist das Resultat eines Gipfeltreffens, zu dem am Donnerstagabend der zurückgetretene Ministerpräsident Italiens mit den Spitzen aller Parteien seiner Koalition zusammengekommen war.

Eine „gepanzerte Mehrheit“ hatte Prodi zur Hauptbedingung für einen Neustart der Allianz unter seiner Führung gemacht. Eben diese „Panzerung“ bekam er von allen führenden Politikern der Koalition zugesagt. Die Einigkeit hat einen neuen Namen: „12-Punkte-Programm“. Das hatte Prodi beim Koalitionsgipfel auf den Tisch gelegt und die Diskussion mit der einleitenden Anmerkung, die 12 Punkte seien nicht verhandelbar, drastisch abgekürzt. Der gerade gestürzte Regierungschef machte so gleich deutlich, wie er sich in Zukunft die Zusammenarbeit in der Koalition vorstellt: als Quasimonarchie des Ministerpräsidenten. So legt ein Punkt fest, dass bei „Kontrasten“ in der Koalition „dem Premier die Autorität zuerkannt wird, in für alle einheitlicher Weise die Position der Exekutive zu bestimmen“. So auch soll sein Sprecher und engster Berater Silvio Sircana zum Sprecher der gesamten Exekutive berufen werden.

Auch in der Sache bemühte sich Prodi, dem angestrebten neuen Stil – Regieren per Ukas gegenüber den allzu oft zerstrittenen Koalitionspartnern – Gestalt zu verleihen. Der Afghanistaneinsatz und überhaupt alle internationalen Verpflichtungen Italiens werden gleich im ersten Punkt des Kurzprogramms abgenickt. Schlucken muss die radikale Linke auch das Ja zum Bau der Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon. Ebenso verpflichtet sich die Koalition darauf, die Rentenreform zügig anzugehen. Das Gesetz zu den eingetragenen Lebensgemeinschaften für Schwule und Lesben verschwand dagegen sang- und klanglos aus der Prioritätenliste der Regierung.

Auch die beiden Kommunistischen Parteien und die Grünen stimmten ohne Zögern dem für sie ziemlich unverdaulichen Papier zu, da sie nur zu gut wissen, dass das Scheitern Prodis den Weg zu einer Rückkehr Silvio Berlusconis an die Macht freimachen würde. Der Verhinderung Berlusconis ordnet die Linke im Moment alles unter, ganz im Sinne der Wähler und Mitglieder der drei Parteien, die ihre Vorstände mit einer Flut von Mails und Telefonanrufen zum Verbleib in der Koalition auffordern.

Aber auch wenn ein tragfähiger Kompromiss in den eigenen Reihen – die „Panzerung“ – damit hergestellt war, fehlte doch noch das zweite Element für eine glückliche Bereinigung der Krise: die Mehrheit im Senat. Die Mitte-links-Allianz muss einerseits alle ihre Senatoren beisammen halten. So flog der Abweichler Franco Turigliatto zwar umgehend aus seiner Partei Rifondazione Comunista raus, bekam dann aber gleich einen Anruf von Romano Prodi, der höflich ums Vertrauensvotum bat. Auch der zweite Abweichler, Fernando Rossi, der sich schon vor Monaten von den Italienischen Kommunisten getrennt hat, stellt sein Ja zu Prodi in Aussicht. Das aber reicht noch nicht. Fieberhaft verhandelten deshalb Prodis Emissäre mit drei Senatoren der Opposition, die mit Berlusconi über Kreuz sind.

Gestern war noch nicht absehbar, ob diese Versuche, endlich überhaupt eine knappe Mehrheit im Senat herzustellen, Erfolg haben können. Sicher ist aber jetzt schon, dass die Koalition auch im für Prodi besten Falle fragil bleiben wird: In Zukunft müsste der Ministerpräsident mit politischen Einzelkämpfern aus der Mitte ebenso wie vom radikal linken Rand verhandeln, die mit Koalitionsultimaten wie dem 12-Punkte-Programm kaum auf Linie zu bringen sind.

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