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Schriftsteller mauern gegen DDR-Köpfe

Ehemalige Rotbuch-Autoren protestieren gegen den Verkauf des linken Traditionsverlags an die Eulenspiegel-Gruppe

BERLIN taz ■ Peter Schneider ist aufgebracht. Er finde sich, gestand er dem Spiegel, „im Bett des Todfeinds“ wieder. Der Verkauf des Rotbuch Verlages an die Eulenspiegel-Verlagsgruppe kam für dessen Autoren offensichtlich überraschend. F. C. Delius, Mitbegründer des Verlages, bezeichnet es als „skandalös, dass ausgerechnet das Erbe des einzigen westdeutschen Verlages, der sich konsequent kritisch gegenüber der DDR-Kulturpolitik erhalten hat, nun in solche Hände kommt“. Die Verlagsgruppe Eulenspiegel erscheint beiden Autoren ausschließlich als ein letztes Reservat für stalinistische Irre. Ihre Kollegin Herta Müller sekundiert: „Jetzt stehen meine Essays zur Diktatur neben den Memoiren von Egon Krenz, Walter Ulbricht und Markus Wolf. Eine Steigerung wäre nur noch, neben Kim Jong Il zu publizieren.“

Doch man sollte wissen, worüber man redet. Krenz ist Autor der Verlagsgruppe, Ulbricht hingegen nur Gegenstand eines Sachbuchs, in dem auch Selbstzeugnisse von ihm präsentiert werden. Wolf schließlich war zuvor Rotbuch-Autor, mit Titeln, die jetzt bei Eulenspiegel erscheinen – und das hat die drei Erregten seinerzeit nicht dazu gedrängt, lauthals zu protestieren. Vor allem aber haben alle drei Autoren den Verlag längst verlassen, ihre Werke erscheinen heute bei Hanser oder Rowohlt. Letzterer war es übrigens, der Wolf, den Exspionagechef der DDR, überhaupt als Buchautor entdeckt hatte.

Rotbuch wurde 1993 von seinen Gründern an die Europäische Verlagsanstalt veräußert – was auch für die Rechte an den Büchern galt, die die Rotbuch GmbH publiziert hatte. Später firmierten die Verlage unter dem Dach der Sabine Groenewold Verlage. 2004 verließ Sabine Groenewold den Verlag. Ihr Gatte Kurt Groenewold und Axel Rütters, der schon in den Siebzigerjahren bei der Europäischen Verlagsanstalt tätig war, gruppierten die Verlage um und brachte den Philo Verlag ein. Damals protestierte nur Klaus Wagenbach gegen die Veränderungen, da er Rütters für „einen der berüchtigtsten Defraudanten der Verlagsszene“ halte, wie er der taz vor zwei Jahren sagte.

Ähnlich sieht es heute György Dalos, der vor kurzem mit Rütters ein neues Buch für das Frühjahrsprogramm von Rotbuch ausgemacht hatte, ohne vom bevorstehenden Verkauf zu erfahren. Er hält jetzt alle Verträge für hinfällig und betrachtet sich selbst als freien Autor. Der Eulenspiegel Verlag kündigte bereits an, diese Entscheidung respektieren zu wollen.

Wagenbach sagte bereits damals einen baldigen Weiterverkauf des Verlages voraus. Die Rotbuch-Autoren aber haben diese Verkäufe nicht interessiert. Nur der Umstand, dass die bisherigen Eulenspiegel Verlage auf ein eher ostalgisches Publikum zugeschnitten sind, stört sie. Rotbuch aber soll laut dem Aufkäufer, Matthias Oehme, sein bisheriges Profil behalten. Die, die nun herumlärmen, nehmen das nicht zur Kenntnis. Sie scheinen die „Mauer in den Köpfen“, die sie stets einreißen wollten, noch immer zu haben.

JÖRG SUNDERMEIER

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