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Senat lässt Lehrer alt aussehen

Schulsenator Zöllner (SPD) will 105 neue Lehrer einstellen. Die GEW protestiert dagegen: Denn die Kräfte sollen nur bis Schuljahresende beschäftigt werden – für junge Lehrer sei das wenig interessant

VON ALKE WIERTH

Zu einer Protestaktion ruft die Lehrergewerkschaft GEW heute ihre Mitglieder auf. Möglichst „auf alt getrimmt“ – beispielsweise mit „Krückstock und alten Klamotten“ – sollen die PädagogInnen sich heute Mittag vor dem Haus der Bildungsverwaltung in der Beuthstraße versammeln. Nur der Anlass für den Protest überrascht: Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) hat Anfang Februar verkündet, neue LehrerInnen einstellen zu wollen. Sie sollen an Schulen, die nicht ausreichend mit Lehrkräften ausgestattet sind, Lücken füllen – befristet bis zum Schuljahresende.

In dieser Befristung liegt einer der Gründe, warum die GEW gegen die Neueinstellungen protestiert. „Berlin bietet jungen Lehrkräften keine Perspektive“, beklagt Erhard Laube von der Vereinigung der Berliner SchulleiterInnen (VBS). Wer frisch ausgebildeten Pädagogen keine besseren Zukunftsaussichten aufzeigen könne als auf wenige Monate befristete unsichere Arbeitsverhältnisse, der dürfe sich nicht wundern, wenn junge Lehrkräfte lieber abwanderten.

Schulsenator Zöllner hatte in seiner Ankündigung ausdrücklich auch „Lehrkräfte im Ruhestand“ oder in Altersteilzeit aufgefordert, sich für die neuen Jobs zu bewerben. In weiser Voraussicht: Denn von den 342 Neubewerbern auf der Bewerbungsliste des Senats – NachwuchslehrerInnen also, die bisher noch nicht im Schuldienst sind – erschienen zur ersten Vorstellungsrunde Mitte Februar gerade mal 45.

Die anderen seien, vermutet die GEW, längst in andere Bundesländer ausgewandert. Dort winkten ihnen Festanstellungen mit Aussicht auf Verbeamtung – und manche Länder wie beispielsweise NRW würden neu zuziehenden Lehrern sogar bei der Wohnungssuche helfen, berichtet VBS-Vorsitzender Laube.

Ärgerlich sind die Vertreter der Gewerkschaft und viele Schulleiter nicht nur deshalb, weil die Kurzzeitjobs den Nachwuchs vergraulen. Auch die Schulen selbst hätten gerne eine längerfristige Planungssicherheit. „Wir wollen jetzt eine verlässliche Bedarfsprognose für das kommende Schuljahr“, sagt Schulleiter Laube. Dann könnte man den neuen Kräften gleich eine andere Perspektive bieten. „Wie viele Lehrer und wie viele Schüler wir im nächsten Schuljahr pro Schule haben, wissen wir derzeit aber noch nicht“, wehrt Kenneth Frisse, Sprecher der Bildungsverwaltung, ab. Damit sei auch der Bedarf an Neueinstellungen unklar. Der wird von der Schulverwaltung dann berechnet, wenn die Anmeldeverfahren für das neue Schuljahr abgeschlossen sind. Die sind für die Grundschulen in der Regel im Herbst, die Anmeldungen für die Oberschulen laufen derzeit. Wenn sich bei dieser Berechnung herausstellen sollte, dass Schulen Lehrerbedarf hätten, dann könnten sie auch die zunächst befristet eingestellten neuen Kräfte weiterbeschäftigen, so Frisse.

Die Schulverwaltung will mit den befristeten Neueinstellungen in erster Linie eine Übergangsregelung schaffen. Schulen mit Lehrermangel sollen bis zum Schuljahresende die Möglichkeit bekommen, Lücken aufzufüllen.

Ab dem neuen Schuljahr haben sie dann die Chance, Vertretungen selbst zu organisieren. Statt dies wie bisher üblich durch die Zuteilung von zusätzlichen Lehrerstunden durch die Bildungsverwaltung regeln zu lassen, können Schulen künftig selbst über die dafür nötigen Gelder verfügen. Die Höhe des Honorartopfes beläuft sich auf jeweils 3 Prozent des Unterrichtsetats. Eine Neuregelung, die auch bei den Vertretern der Gewerkschaft Zuspruch findet. Auch Erhard Laube will für seine Schule das Honorarbudget in Anspruch nehmen. Der Vorteil: Geld, das nicht für den Ersatz ausgefallener Lehrer verbraucht wird, können Schulen auch für andere Zwecke verwenden – beispielsweise für weiteres Personal wie Erzieher.

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