: Berliner halten nicht dicht
Viele Eigentümer sparen sich bei Sanierungen Wärmedämmungs- und Energiesparmaßnahmen. Dabei wären sie gesetzlich dazu verpflichtet. Hausbesitzerverband und Grüne kritisieren Senat wegen zu lascher Kontrollen
Über den CO2-Ausstoß eines neu geplanten Vattenfall-Kraftwerks erregt sich die ganze Stadt. Andererseits werden in Berlin Jahr für Jahr riesige Mengen Energie nutzlos verbraucht, weil Wohnungen und Häuser nur schlecht wärmegedämmt sind. Viele Hausbesitzer verstoßen dabei gegen geltendes Recht: „50 Prozent der Energieeinsparpotenziale werden bei Haussanierungen in Berlin nicht ausgeschöpft“, sagt Marie-Luise Dittmar, Sprecherin der Umweltverwaltung.
Dabei schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV), ein Bundesgesetz, Eigentümern seit 2002 Energiesparmaßnahmen vor. Sie müssen zum Beispiel ein Mietshaus, wenn es saniert und frisch verputzt wird, mit einer Wärmedämmung ausstatten. Ebenso sollen frei liegende Heizungsrohre in Kellern oder ein zugänglicher, aber nicht begehbarer Dachboden klimaschonend gepolstert werden. In Berlin ignorieren viele Besitzer diese Regeln: „Die meisten wissen gar nicht, dass sie dazu verpflichtet sind“, sagt Dieter Blümmel, Sprecher des Verbandes Haus und Grund. Gerade kleinere und semiprofessionelle Eigentümer umgingen die Verordnung, hat er beobachtet.
Die Mieter profitieren
Allerdings ist hier nicht nur Unwissenheit der Grund, sondern auch ökonomisches Kalkül. Bei einem Einfamilienhaus kostet die Wärmedämmung 80.000 Euro, schätzt Blümmel, bei einem Mietshaus sei schnell eine halbe Million fällig. Zudem könnten Vermieter nur bis zu 11 Prozent ihrer Sanierungskosten auf die Mieter umlegen, sagt Michael Geißler, der Geschäftsführer der Berliner Energieagentur. Der Besitzer muss also investieren, die Mieter profitieren von sinkenden Heizkosten. Entsprechend niedrig ist das Ökoengagement.
Die vielen Energieschleudern im Wohnungsbestand schlagen sich stark in der CO2-Bilanz der Hauptstadt nieder. Rot-Rot will die CO2-Emissionen bis 2010 im Vergleich zum Jahr 1990 um ein Viertel drücken. „Da schlummert noch viel Potenzial, besonders bei Bauten aus den 50er- und 60er-Jahren im Westteil der Stadt“, sagt Dittmar. Von 1,7 Millionen Wohneinheiten waren 2003 erst 600.000 nach Energiesparaspekten saniert.
Der Hauseigentümerverband gibt dem Senat die Schuld an zu laschen Sanierungen. Die Senatsverwaltung und die Bezirke müssten mehr Kontrolleure auf Baustellen schicken, fordert Blümmel. „Wenn ich Regeln aufstelle, muss ich auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Es fehlt einfach der Leidensdruck.“ Die Grünen werfen dem Senat „Versagen beim Klimaschutz“ vor: „Natürlich würden punktuelle Kontrollen wirken. Denn wenn bei Verstößen die nachträgliche Erfüllung der Energiesparvorschrift verlangt wird, wird das für die Bauherren teuer“, sagt Michael Schäfer, der Energiefachmann der Fraktion. Architekten würden Haftungsansprüche ihrer Bauherren fürchten und schon deshalb auf die Energiesparvorschrift achten, vermutet er. Dennoch sind häufige Baustellenbesuche auch in Zukunft unwahrscheinlich: Die Bauaufsichtsämter der Bezirke gelten als hoffnungslos überlastet. ULRICH SCHULTE
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