„Es gibt Alternativen zur großen Koalition“

Um eine „Lähmung aus Beton-CDU und Beton-SPD“ zu verhindern, plädiert Daniel Cohn-Bendit für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Hessen

DANIEL COHN-BENDIT, 62, ist Fraktionschef der Grünen im Europarlament und lebt in Frankfurt.

taz: Herr Cohn-Bendit, auch Hessen wird wohl künftig von einer großen Koalition regiert. Oder hoffen Sie auf die Ampel?

Daniel Cohn-Bendit: Nein, eine Ampel wird es nicht geben. Da offensichtlich die FDP nicht willens und in der Lage ist, sich von ihrem Koch’schen Rütlischwur zu lösen, müssen die Grünen sich politisch bewegen. Die Wähler haben eine höchst komplizierte Aussage gemacht.

Setzen Sie immer noch auf eine rot-grün-rote Koalition?

Nein, eine rot-grün-rote Koalition wird es auch nicht geben.

Was schwebt Ihnen vor?

Nur eine rot-grüne Minderheitsregierung kann eine große Koalition der Lähmung aus Beton-CDU und Beton-SPD verhindern. Und einen CDU-Ministerpräsidenten.

Herr Cohn-Bendit, ich bitte Sie.

Warum nicht? Gerade die Grünen …

der zweite Wahlverlierer nach Koch …

… müssen beweisen, dass es Alternativen zur großen Koalition gibt. Jetzt kann die historische Stunde von Ypsilanti und Al-Wazir schlagen.

Wie soll Rot-Grün konkret funktionieren?

Rot und Grün schließen eine Koalitionsvereinbarung und machen ein 100-Tage-Programm mit vier Gesetzesvorlagen und zwei Bundesratsinitiativen: ein Gesetz zur Schule und eines zum Klima, das an den Anforderungen von EU und Bund ausgerichtet ist. Ein Gesetz zu sozialer Gerechtigkeit und Integration und eines zur präventiven inneren Sicherheit. Dazu kommen zwei Bundesratsinitiativen zu Mindestlohn und Grundsicherung.

Und dann?

Ypsilanti unterbreitet dieses Programm allen Parteien im Landtag. Sie kann dann mit Hilfe der Linken oder anderer zur Ministerpräsidentin gewählt werden.

Hessen wäre erneut historische Experimentierstube.

Ja. Entweder lässt sich eine Mehrheit von SPD, Grünen und Linken mit diesen Themen gestalten – oder nicht. Der Fortschritt ist: Die Linke muss sich der politischen Auseinandersetzung stellen.

Alle werden schreien: Das endet im Chaos!

Nein, schlechtestenfalls in Neuwahlen mit Ypsilanti als Ministerpräsidentin.

Was wäre dann gewonnen?

Rot-Grün hätte den Beweis erbracht, dass eine Linke im Parlament für lange Zeit nur Schwarz-Gelb oder eine große Koalition bedeuten kann.

INTERVIEW: PETER UNFRIED