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Archiv-Artikel

Die neuen Emanzipierten

FRAUENBEWEGUNG Die hat es mal gegeben, sagen Hamburger Schülerinnen – und sprechen über das Problem mit sexistischer Werbung, Rollenverteilung und Alternativen zur Quote

Es gab eine Zeit der Unzufriedenheit und des Aufbegehrens gegen Ungerechtigkeiten, aber diese Frauenbewegung ist längst vorbei

VON LENA KAISER

„Ich weiß eigentlich gar nicht genau, was Emanzipation bedeutet“, sagt Alina etwas zögerlich. Sie ist 16 Jahre alt und kommt aus dem schleswig-holsteinischen Ahrensburg. Die Privatschülerin hat zwar schon mal mit ihren Freundinnen darüber gesprochen, dass Frauen in unserer Gesellschaft benachteiligt werden. Und eine ihrer Freundinnen erlebt gerade bei der Bundeswehr, dass Frauen im Berufsleben deutlich mehr geben müssen als Männer.

Im Leben der 16-Jährigen spielen jedoch andere Themen eine größere Rolle als die Gleichberechtigung: Warum sind so viele Kinder zu dick zum Beispiel? Denn wer im Alltag welche Rolle übernehme, hänge letztlich von den Umständen und nicht vom Geschlecht ab. Alinas Eltern sind beide berufstätig und für sie ist es daher ganz normal, dass sie ihrer kleinen Schwester Mittagessen kocht und ihrer Mutter im Haushalt hilft.

In der Volkshochschule in Hamburg findet derzeit ein Demokratietraining für junge Frauen statt. Die jüngste Teilnehmerin geht in die achte Klasse und die älteste in die elfte. Feminismus ist für die politisch interessierten Mädchen ein Thema, das sie vor allem mit Alice Schwarzer verbinden. „Es gibt natürlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen“, sagt Kelly. „Aber man darf deswegen nicht anders behandelt werden.“

Für die jüngste Seminarteilnehmerin Katharina sind Vorbilder entscheidend – wie ihre Mutter, die bildungspolitisch aktiv ist. „Ich glaube, wir bräuchten Frauen, die anderen etwas zeigen und dadurch etwas bewegen“, sagt die Achtklässlerin. Sie ist Klassensprecherin, interessiert sich vor allem für Menschenrechtsthemen, stößt mit ihrem politischen Interesse in ihrer Klasse aber schon mal auf Unverständnis: „Ich wurde schon Angela Merkel genannt.“

Linah kann mit der Debatte über Emanzipation und Frauenbewegung nicht viel anfangen. „Ich muss sagen, dass ich das immer ziemlich wenig auf mich beziehe“, sagt sie. Eher schon betreffe sie das Frauenbild, das in den Medien transportiert wird und die Models, die überall zu sehen sind. „Das beziehe ich als Diskriminierung und als geschlechtsspezifische Unterscheidung auf mich“, sagt sie. Aber letztlich müssten Frauen für sich selbst entscheiden, ob sie sich unter diesen Druck, perfekt und schön sein zu müssen, setzen lassen wollen.

Das sei schwierig, wenn auch in der Werbung ein sexistisches Frauenbild transportiert werde, sagt Seminarteilnehmerin Zoe. Sie lebt in St. Pauli und dort hat die Neuntklässlerin auch die Erfahrung gemacht, dass Mädchen besonders auf Demonstrationen von der Polizei anders behandelt werden als Jungs. „Offenbar trauen die uns nicht so viel zu“, sagt sie. „Und das sagt mir auch, dass man mich, weil ich eine Frau bin, nicht so ernst nimmt.“ Und auch in der Werbung werden Frauen anders behandelt als Männer. Erst neulich kam sie an einem Werbeplakat für Staubsauger vorbei. „Endlich ein Auto, das auch eine Frau fahren kann“, stand drauf. In der sexistischen Werbung sehen die jungen Frauen ein besonders schwerwiegendes Problem. Denn die präge vor allem das Frauenbild der Jüngeren. Besonders schlechte Vorbilder sind dann Frauen, die in Bikinis für Chips werben oder auf Autodächern tanzen.

Für die älteste Seminarteilnehmerin Abigail sind die Zeiten der Frauenbewegung vorbei. Es habe eine Zeit der Unzufriedenheit und des Aufbegehrens gegen die bestehende Situation gegeben, sagt die Elftklässlerin. Heute bekomme man dagegen das Gefühl, dass viele Frauen ihre Lebenssituation mögen oder sich zumindest mit ihr abfinden. Einig sind sich die jungen Frauen, dass eine Frauenquote nicht geeignet ist, etwas an Missständen zu ändern. „Ich bin gegen die Frauenquote“, sagt Kelly, denn sobald so etwas existiere, würden die Frauen nur noch wegen ihres Geschlechts eingestellt und nicht mehr aufgrund ihrer Leistung. Gut sei lediglich, dass überhaupt Debatten über Gleichberechtigung am Arbeitsplatz geführt würden.

Statt einer Frauenquote wäre es für die jungen Frauen vielleicht ein Anfang, bei Bewerbungen auf Angaben zum Geschlecht zu verzichten. Denn wenn so wenig Frauen in höhere Positionen kommen, „denkt man sich doch, was bringt es, mich anzustrengen“, sagt Maria. „Und wenn ich dann in der Chefetage bin, arbeite ich genauso viel wie die Männer, verdiene aber weniger.“