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Archiv-Artikel

Mindestlohn für Flüchtlinge

Habib R. hat einen Job als Kurierfahrer gefunden. Damit könnte der Afghane das neue Bleiberecht bekommen. Doch die Hamburger Arbeitsagentur stellt sich quer. Ihre amtliche Begründung: 1.400 Euro entsprächen nicht dem Tariflohn

von DANIEL WIESE

Herr Hinrichsen (Name geändert) hat ein Problem. Der „selbstfahrende Unternehmer“, Inhaber eines Ein-Mann-Kurierdienstes in Hamburg, möchte sich vergrößern. Das Geschäft läuft so gut, dass Herr Hinrichsen einen zweiten Fahrer einstellen will. Das Problem ist: es soll nicht irgendjemand sein.

Herr Hinrichsen möchte, dass Habib R. bei ihm als Fahrer anfängt. Er habe den jungen Mann vor ein paar Monaten kennen gelernt, „und ich seh’ was in ihm“, sagt Herr Hinrichsen. Jemand anderes komme für ihn nicht infrage. „Die Geschäftsidee steht und fällt mit dem Personal“, dass sei in seiner Branche so, das Kuriergeschäft habe viel mit Vertrauen zu tun.

Für Habib R. ist das eine gute Nachricht, denn der Job als Kurierfahrer ist das, was er noch braucht, um das neue Bleiberecht zu bekommen. Die anderen Bedingungen erfüllt er. Seit 14 Jahren lebt der Afghane in Hamburg, er ist dort zur Schule gegangen, er spricht gut Deutsch, mit leichtem Hamburger Akzent. Vorstrafen hat er auch nicht, es müsste also alles in Ordnung sein, dachte Habib R., dachte auch Herr Hinrichsen.

Ende November gab Habib R. seinen Antrag bei der Ausländerbehörde in Hamburg ab, Herr Hinrichsen legte eine Arbeitsplatzbeschreibung und den Arbeitsvertrag bei. Es sei zu früh, teilte die Behörde mit, das neue Bleiberecht trete erst am 1. Dezember in Kraft, doch dieses Problem ließ sich regeln.

Im Januar wurde Herr Hinrichsen langsam unruhig. Habib R. konnte nicht anfangen zu arbeiten, so lange das Verfahren lief, mangels Arbeitserlaubnis. Das Bleiberechtsverfahren geht so, dass erst die Ausländerbehörde prüft, ob alle Bedingungen erfüllt sind, und dann den Antrag an die Arbeitsagentur weiterleitet. Die erteilt die Arbeitserlaubnis. Erst dann wird ein Bleiberecht ausgesprochen.

Am 18. Januar ging Herr Hinrichsen zur Arbeitsagentur, um nachzufragen, ob der Antrag angekommen sei. Sei er, erfuhr der Unternehmer. Man habe den Antrag abgelehnt. Die 1.400 Euro brutto im Monat, die im Arbeitsvertrag stünden, seien zu wenig, es müssten mindestens 1.540 sein.

1.400 Euro seien in seiner Branche kein schlechter Lohn, meint Herr Hinrichsen, „da müssen Sie erst mal jemand finden, der das bezahlt“. Herr Hinrichsen ging mit Habib R. zur Ausländerbehörde, um sich zu beschweren. Der Sachbearbeiter habe bei der Arbeitsagentur angerufen, um zu erfahren, dass diese den erforderlichen Mindestlohn inzwischen auf monatlich 1.607 Euro angesetzt hatte. „Der Mann von der Ausländerbehörde musste den Mann vom Arbeitsamt darauf hinweisen, dass es nicht seine Aufgabe ist, den Lebensunterhalt zu berechnen“, sagt Hinrichsen.

Das sieht die Arbeitsagentur anders. „Wir führen eine Arbeitsmarktprüfung durch“, erklärt Uwe Thiele, der bei der Arbeitsagentur in Hamburg für „Ausländerangelegenheiten“ zuständig ist. „Die Zustimmung darf nur gegeben werden, wenn Ausländer zu den Bedingungen beschäftigt werden, die denen deutscher Arbeitnehmer vergleichbar sind.“ Zu diesen Bedingungen zähle auch ein „tarifliches oder ortsübliches Entgelt“, und das liege im Fall von Habib R. nun mal bei 1.607 Euro.

Die Idee dahinter sei, zu verhindern, dass ausländische Arbeitnehmer zu Dumpinglöhnen beschäftigt würden, erklärt der Mann von der Arbeitsagentur. Außerdem würde sich sonst der Unternehmer einen „Wettbewerbsvorteil“ verschaffen. 37 Prozent der Fälle würden von ihnen „negativ entschieden“, weil sie die Anforderung eines tariflichen oder ortsüblichen Lohns nicht erfüllten.

Es gibt eine Anweisung der Nürnberger Zentrale an die Arbeitsagenturen, wie bei den Arbeitserlaubnissen zu verfahren ist. Von Tariflohn ist dort nicht die Rede. Es ist lediglich festgehalten, dass Ausländer nicht zu „ungünstigeren Bedingungen“ beschäftigt werden dürfen „als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer“.

Für Habib R. wäre das wohl nur ein schwacher Trost gewesen. Er hätte sich einen besser bezahlten Job oder einen in einer anderen Branche suchen müssen, hätte Herr Hinrichsen nicht eingelenkt. „Für mich ist das viel Geld, aber ich möchte, dass Habib das macht“, sagt Hinrichsen. Er hat jetzt einen neuen Arbeitsvertrag aufgesetzt, mit den geforderten 1.607 Euro brutto. Eine Reaktion der Arbeitsagentur steht noch aus.