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Der Seelsorger

Er präsentierte auch die wildesten Fälle trocken und prägnant: Wolfgang Pistol, ehemaliger Landespolizeidirektor in Schleswig-Holstein und nach seinem Ruhestand Anti-Korruptionsbeauftragter des Landes. Nach sieben Jahren verabschiedete er sich von dem Ehrenamt und zog eine positive Bilanz: Allein das Wissen der Bevölkerung um den Ombudsposten mache die Arbeit sinnvoll – es sei gelungen, eine Reihe von Fällen „aus dem Dunkelfeld“ zu holen.

Schleswig-Holsteins Modell des Anti-Korruptionsbeauftragten ist bundesweit einzigartig. In seiner siebenjährigen Amtszeit wandten sich 420 Tipp-Geber an Pistol. Darunter waren Mitarbeiter von Behörden, die Informationen über Bestechungen loswerden wollen, ebenso wie jene ältere Dame, die eigentlich nur über ihren verstorbenen Mann sprechen wollte – immerhin gab es beim Hausbesuch Schokoladenkuchen. „Man ist auch eine Art Seelsorger“, sagte Pistol. Gut 80 Prozent aller Hinweise „wanderten in meinen virtuellen Mülleimer“. Dennoch wurden 120 Fälle mit Verdacht auf Korruption an die Staatsanwaltschaft übergeben. 20 Mal gab es Verurteilungen, 40 Urteile stehen noch aus.

Der 67-jährige Pistol, der aus Lütjenburg stammt und heute mit seiner Frau in Scharbeutz lebt, fing 1977 bei der Wasserschutzpolizei an. Dann wechselte er zur Schutzpolizei, wo er über mehrere Stationen bis zum Landespolizeichef aufstieg. Sein Ehrenamt trug ihm Lob aus allen politischen Richtungen ein. „Aber nach sieben Jahren soll man etwas anderes machen“, erklärte Pistol bei seiner Abschluss-Bilanz. Er übergibt das Amt an den 61-jährigen Hans-Werner Rogge, ehemals stellvertretender Leiter der Kriminalpolizeidirektion Nord. Er habe ein Amt gesucht, in dem er seine beruflichen Kenntnisse einbringen könne, sagte Rogge.

Pistol, der einst als Matrose, Ingenieur, nautischer Offizier und schließlich Kapitän auf Handelsschiffen zur See gefahren ist, will nun auf Reisen gehen. Sein Ziel ist die Pazifik-Insel Pitcairn – dort leben die Nachfahren der Meuterer auf der „Bounty“.  EST

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