: Genereller Stasi-Check wird abgeschafft
Koalition nähert sich einer Einigung auf neues Unterlagengesetz. Union verzichtet auf Fortsetzung der Regelanfrage. Künftig soll nur noch ein begrenzter Personenkreis bei Verdacht auf Zusammenarbeit mit der DDR-Staatssicherheit überprüft werden
VON DANIEL SCHULZ
Der alte Gesetzentwurf ist der neue Gesetzentwurf. Gestern haben sich die Fraktionsspitzen der großen Koalition weitgehend auf eine Novelle für das Stasiunterlagengesetz geeinigt. „Eine Fortsetzung der Regelanfrage in der bisherigen Form wird es nicht geben“, sagte Fritz Rudolf Körper, Fraktionsvize der SPD, der taz. Die Stasi-Überprüfung werde modifiziert fortgesetzt, so wie in dem ursprünglichen Gesetzentwurf von SPD, Union und Grünen vorgesehen.
Letzte „Detailfragen“ seien noch zu klären, sagte Körper weiter, aber er sei „optimistisch“, dass es bis zum Wochenende eine Einigung mit CDU/CSU geben werde. Das sagte auch sein Unionskollege Wolfgang Bosbach. Mit dieser Rolle rückwärts akzeptiert seine Partei den einstigen Konsens: keine Fortsetzung der bisherigen Regelanfrage. Stattdessen wird ein bestimmter Personenkreis noch überprüft.
Nach Kritik von DDR-Oppositionellen am ersten gemeinsamen Gesetzentwurf scherten Teile der CDU vor zwei Wochen aus und wollten den generellen Stasi-Check für Ostdeutsche in Parlamenten und öffentlichem Dienst doch fortsetzen. Die SPD hingegen verteidigte die Überprüfung auf Verdacht. Eine neue Regelung muss aber gefunden werden, weil die Stasiüberprüfung sonst Ende des Jahres ersatzlos auslaufen würde.
Nicht umsonst habe der Bundestag 1991 beschlossen, die Regelanfrage nach 15 Jahren enden zu lassen, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD): „In einem Rechtsstaat muss irgendwann mit dem generellen Verdacht gegen Ostdeutsche Schluss sein.“
Zu der Gruppe bestimmter Personen, die künftig auf Verdacht überprüft werden können, gehören Parlamentarier und Berufsrichter ebenso wie hohe Sportfunktionäre. Allerdings müssen laut Gesetzentwurf „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht“ vorliegen, dass die Betreffenden einst mit der Stasi kooperierten. Welche Belege für einen begründeten Verdacht ausreichen und wie dieser vorgebracht werden soll, müssen die Koalitionäre in einem weiteren Spitzengespräch morgen klären.
Zwar herrscht bei SPD und Grünen Verwunderung darüber, dass die Unionsparteien nach ihrer überraschenden Volte weg vom gemeinsamen Gesetzentwurf jetzt wieder einen Salto dorthin zurückgemacht haben. Doch öffentliche Schadenfreude zeigt niemand, um die Annäherung nicht wieder zu gefährden. Stattdessen preist die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt die Vorzüge der Novelle: „Statt einer symbolischen Politik bietet der Gesetzentwurf sehr viel bessere Möglichkeiten für Forscher und Journalisten.“ Das sei wichtiger als eine Fixierung auf die Regelanfrage.