piwik no script img

Archiv-Artikel

Kampagne gegen Verhütungsmittel in Polen

Rechtsgerichtete Abgeordnete wollen den Gebrauch von Pille und Kondom durch ein Gesetz einschränken

WARSCHAU taz ■ „Die polnische Familie ist in Gefahr! Es gibt zu wenige Kinder!“, warnt Anna Sobecka. „Mitschuld daran sind die Kondome“, weiß die rechtsgerichtete Abgeordnete des Sejm. Mit Marian Pilka von der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und ein paar weiteren Rechtsaußenpolitikern arbeitet Sobecka deshalb an einem „Programm zur Familienunterstützung“. Es zielt unter anderem darauf ab, den Gebrauch von Verhütungsmitteln per Gesetz einzuschränken. Das von Kaczyńskis rechtsextremer Regierungspartnerin „Polnische Familienliga“ (LPR) angestrebte totale Abtreibungsverbot genügt diesen Kreisen nicht, denn damit würden jährlich nur knapp 200 Kinder mehr geboren.

„Verhütung führt zu Unfruchtbarkeit“, verkündete Kaczyńskis Parteigänger Pilka (PiS) vor ein paar Tagen und schlug vor, Antibabypillen- und Kondompackungen künftig mit Warnungen im Stil von „Verhüten gefährdet Ihre Gesundheit“ o. ä. zu versehen. Als Vorbild dienen dem konservativen, EU-skeptischen Politiker die von Brüssel geforderten dick gedruckten Warnungen auf Zigarettenpackungen.

Pilka fordert zudem ein weitreichendes Volkserziehungsprogramm in Radio, Fernsehen und auf Litfasssäulen, um sexuell aktive Heterosexuelle auf die Gefahren der Verhütung aufmerksam zu machen. Das große Schweigen müsse endlich durchbrochen werden, argumentiert Pilka für seine Aufklärungsidee. Die Jugend wisse zu wenig über die Gefahren der Verhütung.

Seit Monaten arbeitet das von der LPR beherrschte Erziehungsministerium deshalb an der Reaktivierung der abgesetzten Unterrichtseinheiten für natürliche Familienplanung. Diese sollen ohne dazugehörige Sexualkundelektionen erteilt werden.

Im Gesundheitsministerium zeigt man sich der neuen Parlamentarierinitiative rund um Pilka nicht abgeneigt. Verhütung sei ja nun wirklich nichts Ungefährliches, lautete eine erste Stellungnahme. Ganz anderer Meinung ist die mit Gleichstellungsfragen beauftragte Unterstaatssekretärin im Arbeits- und Sozialministerium Joanna Kluzik-Rostkowska: „Wenn wir den illegalen Abtreibungen Herr werden wollen, müssen wir Frauen Verhütungsmittel zugänglich machen“, sagte Kluzik-Rostkowska kürzlich der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.

Die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Warschau war von den Kaczyński-Zwillingen ins Amt gehoben worden, um das traditionelle Familienverständnis in Polen zu fördern. Doch die ehemalige Journalistin hat die Regierungspartei PiS bisher immer wieder mit einer eigenen Meinung herausgefordert. „Wir können die gesellschaftliche Entwicklung im 21. Jahrhundert nicht rückgängig machen“, sagt Kluzik-Rostkowska. Damit könnte sie den ersten Richtungsstreit im Regierungslager provozieren.

PAUL FLÜCKIGER