verlag, showdown etc.
: Entzauberung der Suhrkamp-Kultur

Wenn man über einen Verlag nur noch im Konjunktiv berichten kann, ist der Schadensfall längst eingetreten. Beim Suhrkamp-Verlag ist man jetzt in so einer Phase. Die Möglichkeiten erscheinen möglicher, der sichere Grund der Realitäten gerät ins Schwanken. Wie die FR gestern meldete, haben sich Hans Barlach und Claus Grossner, die beiden neuen Minderheits-Anteilseigner, mit Joachim Unseld und Arnulf Conradi in Hamburg getroffen – das sind 49 Prozent der Anteile an Suhrkamp und, mit Conrady, ein angesehener Fachmann und Vertreter. Die Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz hält mit 51 Prozent weiterhin die Mehrheit. Aber klar ist jetzt schon, dass sie in Zukunft nicht mehr so unangefochten agieren kann wie zuletzt.

Minderheitsgesellschafter, die entschlossen sind, ihre Rechte einzuklagen, kann man nicht einfach ignorieren. Und dann kommen erst die Fragen und damit die Konjunktive ins Spiel. Stimmt es, wie Grossner behauptet, das Ulla Unseld-Berkéwicz ihre Pflichten verletzt und die Bilanzen zuletzt nicht ordnungsgemäß verabschiedet hat? Haben Barlach, Grossner und Co. – die Besitzkonstruktion des Verlages ist kompliziert – noch ein Ass im Ärmel? Wird Ulla Berkéwicz, die zuletzt den Weggang wichtiger Angestellter verkraften musste, weiter in Isolation geraten? Und wie wirkt sich die Krise auf die Mitarbeiter aus? Nun der zentrale Konjunktiv: Das könnte, alles in allem, bedrohlich werden für Frau Berkéwicz und aufreibend für den Suhrkamp-Verlag.

Dass die Verlegerin in dieser Sache bislang klug agiert hat, wird kaum jemand behaupten wollen. Sie hat auf Eskalation gesetzt und den Verlag zur „Festung“ erklärt. Barlach und Grossner haben ihrerseits öffentlich die Führungsqualitäten von Frau Berkéwicz angezweifelt. Das läuft auf einen Showdown oder, für den Verlag noch schlimmer, auf einen anhaltenden Abnutzungskrieg zu. Gut wäre vor allem Letzteres nicht. Dass die Suhrkamp-Kultur seit einigen Jahren nicht mehr so hegemonial dasteht wie einst, kann man ja sogar begrüßen. Aber wenn sich der Verlag gleich ganz selbst demontiert, wäre das zu viel der Entzauberung. Zu schade einfach für die vielen Rechte, Autoren und Bücher. DIRK KNIPPHALS