JULIA AMBERGER ZUM SS-PROZESS SANT’ANNA : Endlich
Natürlich sei es enttäuschend, dass keiner der Täter für das SS-Massaker in Sant’Anna zur Verantwortung gezogen werden konnte. Einstimmig bekundeten Politik und Justiz ihr Unbehagen daran: die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, der frühere Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler, Justizminister Rainer Stickelberger (SPD). Aber es könne eben kein Mord nachgewiesen werden, das Strafrecht stoße hier an seine Grenzen, hieß es. Das war sogar so peinlich, dass Gauck nach Sant’Anna reiste, um sich für das Versagen der deutschen Justiz zu entschuldigen.
Jetzt wurden die Rumdruckser eines Besseren belehrt. Das Oberlandesgericht in Karlsruhe hat entschieden, dass es doch genügend Anhaltspunkte gibt, um zumindest dem letzten Beschuldigten den Prozess zu machen – dem mutmaßlichen Führer einer beteiligten SS-Kompanie, Gerhard Sommer, der heute in einem Altersheim in Hamburg lebt. Die Karlsruher Richter gaben sich nicht damit zufrieden, dass der inzwischen 93-Jährige dauerhaft verhandlungsunfähig sei, und leiteten weitere Untersuchungen ein.
Allerdings ist noch unklar, ob es tatsächlich zum Prozess kommt: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart muss das Verfahren an Hamburg abgeben, dort werden weitere Gutachten erstellt und wird von Neuem Anklage erhoben werden. Aber für die noch lebenden Opfer des SS-Massakers – allen voran Enrico Pieri, der mit seiner Anwältin Gabriele Heinecke das Klageerzwingungsverfahren eingeleitet hatte – ist es das einzige richtige Zeichen. Jahrzehntelang haben sie dafür gekämpft, dass das, was sie erleben mussten, als ein geplantes Massaker an der Zivilbevölkerung auch offiziell in Deutschland wahrgenommen wird. Fast 70 Jahre später, als niemand mehr damit rechnete, bekommen sie nun recht.
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