: Krankmachendes Klima der Angst
betr.: „Umgang mit dem Prügelvater umstritten“, taz vom 16. 2. 07, „Wer Kinder schlägt, gehört bestraft“, Leserbrief von Jörg Rupp, taz vom 21. 2. 07
Die Kampagne der Frauenhäuser macht – zu Recht – darauf aufmerksam, dass ein Umgangsrecht für gewalttätige Männer in vielen Fällen dem Kindeswohl entgegensteht. Denn Kinder sind ebenfalls Opfer häuslicher Gewalt, auch wenn sie selbst nicht geschlagen werden. Wenn der Vater die Mutter krankenhausreif schlägt, die sechsjährige Tochter das mit ansehen muss, um das Leben der Mutter fürchtet und hinterher das Blut aufwischt, dann hinterlässt das seelische Verletzungen, die schlimmer sein können, als wenn es selbst geschlagen würde. Was Kinder zu Hause beobachten müssen, ist nicht selten der reinste Horror, den sich viele Außenstehende nicht vorstellen können. Es ist Gewalt, auch am Kind.
Nicht wenige Frauen – und ihre Kinder mit ihnen – leben in Todesangst, und das leider häufig zu Recht. Von allen Tötungsdelikten gegen Frauen werden 30 Prozent vom Partner und 50 Prozent vom Expartner begangen. Diese Zahlen zeigen, dass gerade die Trennungssituation eine besondere Gefährdungslage schafft. Hier ist es oft überlebenswichtig, dass die Frau mit ihren Kindern an einem Ort leben kann, wo der Mann sie nicht findet. Das ist unmöglich,wenn er Umgangsrecht hat.
Natürlich nimmt die häusliche Gewalt nicht in jedem Fall so drastische Züge an, dennoch leben viele betroffene Kinder in einem krank machenden Klima der Angst. Zu fordern, „dann müss(t)en alle therapiert werden, bis es wieder geht, solange auch nur ein Teil den Wunsch hat, den Kontakt aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen“, ist naiv und zynisch. Naiv, was die Möglichkeiten der Psychotherapie betrifft auf einem gesellschaftlichen Hintergrund, wo Väter den Kontakt zu ihren Kindern häufig als Machtmittel gegen ihre Exfrauen missbrauchen. Zynisch, weil es impliziert, dass der Wille des Kindes irrelevant ist und mit Therapie schon in die richtige Richtung gelenkt werden kann.
Die angedeutete Behauptung, wenn ein Kind den Vater nicht sehen wolle, sei es lediglich von der Mutter beeinflusst, mag vielleicht in manchen Fällen zutreffen. In der Regel aber sind Kinder nicht so dumm und beeinflussbar, wie Erwachsene sie oft hinstellen. Sie wissen in der Regel sehr gut, was sie wollen und was nicht. Vielleicht brauchen sie einfühlsame Beratung von Fachkräften, um sich klar zu werden, was sie wollen, aber sicher nicht eine Therapie, die als Zielvorgabe hat, dass sie den Vater in jedem Fall sehen wollen. Denn das wäre nichts weniger als ein unwürdiger Versuch der Manipulation. MAREN KOLSHORN, Dipl.-Psych., Kassel