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Archiv-Artikel

Gericht schützt jesidischen Flüchtling

URTEIL „Gruppenverfolgung droht“: 18-Jähriger aus dem Irak klagt gegen Migrations-Behörde – mit Erfolg

Dass das Bundesamt Rechtsmittel einlegt, gilt als unwahrscheinlich

Die zugespitzte politische Lage im Irak und die massive Verfolgung der Jesiden durch die islamistische Miliz IS wirken sich zunehmend auch auf Asylentscheidungen deutscher Behörden und Gerichte aus. In einem gestern bekannt gewordenen Urteil hat das Verwaltungsgericht Hannover das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) dazu verpflichtet, einen 18-jährigen Jesiden aus dem Irak als Flüchtling anzuerkennen (Az. 6 A 9853/14). Das Bundesamt hatte den Asylantrag des Mannes im Juni abgelehnt, weil es zum damaligen Zeitpunkt keine ausreichende Bedrohung der jesidischen Bevölkerung im Irak sah. Gegen den Bescheid hatte der 18-Jährige geklagt.

Das Gericht sei nun zu der Auffassung gelangt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ eine an den Glauben anknüpfende Gruppenverfolgung, erläuterte ein Sprecher. Die Gewalttaten des IS hätten eine Massenflucht der jesidischen Bevölkerung in die Türkei und vor allem in die kurdischen Autonomiegebiete des Irak ausgelöst. Innerhalb des arabischen Landes hätten die Jesiden keinen Schutz, weil die Fluchtwege in die kurdischen Autonomiegebiete durch die IS-Kämpfer abgeschnitten seien. Außerdem könnten die Autonomiegebiete selbst wegen der Bedrohung durch die Milizen nicht als dauerhaft sicher angesehen werden.

Gegen das Urteil kann das Bundesamt Berufung beim niedersächsischen Oberverwaltungsgericht beantragen. Dass die Behörde dieses Rechtsmittel einlegt, wurde gestern allerdings als unwahrscheinlich angesehen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums geht das Bundesamt inzwischen von Schutzbedarf für Jesiden und andere Bevölkerungsgruppen aus dem Irak aus. Bereits seit dem 16. Juni würden keine negativen Asylentscheidungen für Iraker mehr getroffen, hieß es. Bereits gefällte ablehnende Entscheidungen würden zunächst zurückgestellt.

Allein beim Verwaltungsgericht Hannover sind noch rund 50 Verfahren anhängig, die aus dem Irak stammende Jesiden betreffen.  (epd)