piwik no script img

Archiv-Artikel

BIs gegen Schweinemast

Weil in Deutschland, vor allem im Osten, immer mehr Mega-Schweinemastanlagen projektiert werden, gründen sich auch immer mehr Bürgerinitiativen dagegen

Free the Pigs

23. August

Tanzen für die Schweine

Tag und Nacht Programm: Demo mit Spaziergang zur Anlage, Solifest, Podiumsdiskussion und Theaterstück „Gespräch mit dem Schwein“, Konzert und Party. Ab 13 Uhr, Gut Reichenow, Neue Dorfstraße 7, Reichenow

Die BI „Uns stinkts schon lange“ in Reichenow (Amt Barnim-Oderbruch), wo der Lindhorst-Konzern eine solche Anlage plant, veranstaltet am Samstag, den 23. August einen Aktionstag.

Er beginnt um 13 Uhr, ab 18 Uhr findet eine „Podiumsdiskussion mit fachkundigen und einflussreichen Gästen“ zum Thema „Um wessen Wurst geht es eigentlich?“ statt und ab 21 Uhr geben Devil & Bride ein Konzert: „Free the Pigs!“

Kürzlich fand bereits ein Aktionstag gegen den Bau einer industriellen Schweinemastanlage in Haßleben (Uckermark) statt, der mit einem Ökomarkt und einer Protestdemonstration verbunden war.

Es geht dabei um die Wiederbelebung einer Mastanlage für 140.000 Schweine, die nach der Wende aus Umwelt- und Tierschutzgründen abgewickelt wurde. Jetzt ist es jedoch kein sozialistischer Fleischversorgungsplan mehr, sondern ein holländischer Unternehmer, Harry van Gennipp, der dort „investieren“ will.

Er besitzt bereits eine für 65.000 Schweine ausgelegte Anlage im altmärkischen Sandbeiendorf. In Haßleben plante er 1994 eine für 85.000 Schweine. Die Nachdenklichen dort und in der Umgebung gründeten daraufhin eine BI gegen diesen „Wahnsinn“.

Unterstützung bekamen sie vom Bündnis für eine ökologische Agrarwende „Wir haben es satt!“, vom Naturschutzbund, von Tierschutz-Organisationen, vom Arbeitskreis bäuerliche Landwirtschaft, von Agrar-Instituten, Vegetarierverbänden und den brandenburgischen Grünen. Gemeinsam erreichten sie bereits einen verkleinerten Antrag.

Auf der anderen Seite war man aber auch nicht untätig: Der holländische Investor holte sich unter anderem Helmut Rehhahn als Berater, einst SPD-Landwirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt und davor Leiter einer Bullenprüfstation in der DDR. „10.000 Mastschweine. Alles andere ist Spielerei“, erklärte er dem Spiegel. „Haßleben wird noch moderner. Haßleben“, sagte er, „das kommt. Das kriegen wir hin.“ Ein anderer Schweinemäster verriet der Presse, warum es ihn und andere „Holländer“ nach Osten zieht: „In Holland wirst du als Schweinezüchter ständig wie ein Krimineller behandelt. Das ist in Ostdeutschland anders. Hier kannst du noch Unternehmer sein. Umweltkosten spielen keine Rolle.“

Van Gennipp fand vor Ort – in Haßleben – Unterstützung beim langzeitarbeitslosen Teil der Bevölkerung, der sich von seinem gigantischen Schweineprojekt ganz ganz viele „Arbeitsplätze“ versprach und dazu eine Bürgerinitiative für ihn gründete.

Zum Aktionstag dagegen hatte das Bündnis „Kontra Industrieschwein“ und die Kampagne „Meine Landwirtschaft“ aufgerufen. Die geplante Schweinemastanlage hatte die Polizei weitläufig abgesperrt, so dass die Kundgebung weit davor stattfand, wo ein Redner nach dem anderen das Verbrecherische an der „industriellen Landwirtschaft“ anprangerte: „Das Leid und die Entwürdigung der Tiere hat ein ungeheuerliches Ausmaß erreicht.

Es geht hier nicht nur um Haßleben, sondern darum, dass die großen Investoren sich nicht der ganzen Landwirtschaft bemächtigen; die tiernahe bäuerliche Wirtschaftsweise geht dabei zugrunde.“ Ein holländischer Ökolandwirt aus der Umgebung ergänzte: „Dazu müssen wir die Spaltung zwischen konventionellen Bauern und Biobauern überwinden – das heißt gemeinsam kämpfen.“

Der Präsident der ghanaischen Kleinbauernvereinigung ging noch weiter: „Nur durch eine internationale Solidarität kann sich unsere Situation verbessern. Auf unseren Märkten, in Accra zum Beispiel, sieht man überall Importprodukte – Fleisch und Gemüse aus der EU und USA. Wir Bauern wollen diese Importe nicht, wir wollen das Land mit unseren eigenen Produkten versorgen.“

Eine andere Rednerin war optimistisch, dass sich auch dies, das Verschieben der Überproduktion in die Dritte Welt, ändern wird: „Die hiesigen Verbraucher legen immer mehr Wert auf tiergerechte Haltung.“

Auch der Sprecher der BI verbreitete Optimismus: „Die Anlage wird nicht so schnell in Betrieb gehen. Wir klagen durch alle Instanzen – das hat eine mindestens aufschiebende Wirkung für den Baubeginn.“ Dann setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung – zum Nachbarort Kuhz, wo jede Menge Info- und Essensstände auf die rund 1.000 Teilnehmer warteten.

Weitere Aktionstage darf man von der BI „Keine Schweinemast in Sassenburg – BISS“ (Niedersachsen) erwarten, von der BI der Gastronomen gegen eine Schweinemast in Klausdorf (Brandenburg), von der BI „Klasse statt Masse – Keine weiteren Schweinereien in Dibbersen“ (Niedersachsen), von der „BI Kontra Schweinemast Mahlwinkel“ (Altmark) gegen ein weiteres Gennipp-Großprojekt, von der „BI gegen Schweinemast in Oldisleben“ (Thüringen) und von der „BI gegen Schweinemastanlage in Gerbisbach“ (Sachsen-Anhalt) – um nur einige zu nennen.

HELMUT HÖGE