: Zypries wird nicht Präsidentin in Karlsruhe
Justizministerin liebäugelte mit Chefposten im Bundesverfassungsgericht, jetzt hat sie sich für die Politik entschieden
FREIBURG taz ■Jetzt hat sich Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) festgelegt. Sie will doch nicht Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts werden. Nach langem Überlegen hat sie gestern entsprechende Spekulationen eindeutig zurückgewiesen. Es könne das Ansehen des höchsten deutschen Gerichts gefährden, sagte Zypries, wenn sie direkt aus der Regierung ans Bundesverfassungsgericht wechselt.
Schon seit Beginn ihrer Amtszeit 2002 wird gemunkelt, dass Zypries großes Interesse an Karlsruhe hat. Immerhin kennt sie das Gericht gut, weil sie dort 1988 bis 1991 als wisssenschaftliche Mitarbeiterin tätig war.
Seit einem Jahr heißt es, sie könne und wolle Nachfolgerin von Winfried Hassemer werden, dem derzeitigen parteilosen Vizepräsidenten des Gerichts. Dessen Amtszeit endet im Februar 2008. Und der Nachfolger von Hassemer wird zwei Jahre später, 2010, quasi automatisch Präsident des Bundesverfassungsgerichts, da dann die Amtszeit von Hans-Jürgen Papier endet.
Dementiert hat Zypries solche Spekulationen schon immer. Doch bisher betonte sie nur, dass sie mit ihrem Amt als Justizministerin sehr zufrieden sei. Das aber kann sich schnell ändern. Mit ihrem neuen Argument, dass ein direkter Wechsel von der Regierungsbank nach Karlsruhe ausgeschlossen sei, hat sie sich dagegen festgelegt. Selbst wenn sich in einigen Monaten abzeichnet, dass die große Koalition nicht mehr lange hält und ihr Ministeramt damit in Gefahr geriete, könnte sie von dieser Aussage ohne Gesichtsverlust nicht mehr abweichen.
Einen direkten Wechsel aus der Bundesregierung ins Bundesverfassungsgericht gab es bisher noch nicht. Der von 1968 bis 1969 amtierende Bundesinnenminister Ernst Benda (CDU) wurde erst zwei Jahre später, 1971, als Verfassungsrichter berufen. Es gibt aber keine Regel, die einen solchen direkten Wechsel verbietet.
In der Landespolitik gab es ihn bereits. So wechselte Jutta Limbach (SPD) 1994 als amtierende Berliner Justizsenatorin nach Karlsruhe. Auch Bundestagsabgeordnete wie 1983 Hans Hugo Klein (CDU) wurden direkt zu Verfassungsrichtern berufen. Wer als Richter im konkreten Fall allzu befangen sein könnte, darf eben nicht mitberaten.
Zypries musste sich jetzt aber erklären, weil die Bild-Zeitung ein sehr realistisches Szenario malte, wonach ihr Wechsel beschlossene Sache sei und Olaf Scholz, der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, neuer Justizminister werde.
Dass sich Zypries für Berlin statt Karlsruhe entschieden hat, ist ein Beleg dafür, dass sie jetzt endgültig in ihrer Rolle als Politikerin angekommen ist. Lange hatte Zypries im eitlen Politikbetrieb gefremdelt, nachdem sie in Niedersachsens Staatskanzlei unter Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) eine Beamtenkarriere machte und dann Staatssekretärin bei Innenminister Otto Schily (SPD) war.
Wer nun neuer Gerichtspräsident in Karlsruhe wird, ist damit völlig offen. Nach dem liberalen Unions-Mann Hans-Jürgen Papier hat jetzt die SPD das Vorschlagsrecht für den Präsidenten. CHRISTIAN RATH